Auf Durchzug: Österreich, Bayern und die Flüchtlinge

Polternde Ultimaten einerseits und der "Druck mit Menschen" andererseits helfen nicht weiter. AZ-Redakteur Stephan Kabosch über den Clinch zwischen Bayern und Österreich in der Flüchtlingspolitik.
Stephan Kabosch
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Flüchtlinge an der österreichisch-deutschen Grenze bei Passau.
dpa Flüchtlinge an der österreichisch-deutschen Grenze bei Passau.

München - Bayern und Österreich sind verfreundete Nachbarn. Dieser Beziehungsstatus könnte kaum augenscheinlicher sein als an der Grenze bei Passau. Dabei geht es nur auf den ersten Blick darum, dass die Alpenrepublik mehr Flüchtlinge nach Deutschland lässt als vereinbart. Darum, dass Wien auf Durchzug schaltet. Im Wortsinn. Es heißt die Asylbewerber herzlich willkommen und wünscht ihnen gleichzeitig eine gute Weiterreise.

Österreich macht „Druck mit Menschen“, wie der besonnene Salzburger Bürgermeister Schaden kritisiert. Wie dieses Durchwinken erfolgt (in Bundesheer-Bussen und oft unter Mangel an elementarer Hilfe für die Notleidenden), das ist in der Tat eine Schande, schiebt das Problem einfach weiter, hat nichts mehr zu tun mit der humanitären Tradition Österreichs als Aufnahmeland für Flüchtlinge (siehe zuletzt die Balkankriege).

Dass sich der Freistaat von Österreich und auch von Berlin im Stich gelassen fühlt, ist angesichts der enormen Belastungen nachvollziehbar. Aber mit einem Poltern gegen den Nachbarn, mit Ultimaten an Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt Bayern da nicht weiter. Womit denn will Horst Seehofer drohen, sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht auf sein Ultimatum eingehen? Das ist genauso vage wie seine Ankündigung von "Notwehrmaßnahmen".

Auf den zweiten Blick offenbart sich bei Passau im Kleinen, was im Großen das europäische Dilemma ist: Diese Flüchtlingskrise ist nicht nationalstaatlich zu lösen, nicht mit nationalen Egoismen und erst recht nicht mit Grenzzäunen um jedes einzelne Land. Diese Jahrhundertaufgabe lässt sich nur gemeinsam bewältigen. Das mag mittlerweile eine Binsenweisheit sein, ändert aber nichts an ihrer Relevanz. Wenn schon ein EU-Sondertreffen in einem Gipfel der Schuldzuweisungen endet, sollten wenigstens München, Berlin und Wien auf eine gemeinsame, starke Achse setzen. Dazu braucht es Solidarität, ein koordiniertes und gemeinsames Vorgehen bis hinunter auf die operative Ebene der Beamten und freiwilligen Helfer. Und es bedarf mehr Flexibilität, um einmal getroffene Vereinbarungen an geänderte Situationen anzupassen, mehr Berechenbarkeit.

Auch und gerade unter verfreundeten Nachbarn.

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