Auch Chodorkowskis Familie wird heute in Berlin erwartet
Seine Freilassung aus einem russischen Straflager war eine Sensation. Jetzt hofft Michail Chodorkowski, so schnell wie möglich seine Familie in die Arme schließen zu können - in Berlin, fernab vom Einflussbereich Wladimir Putins.
Berlin - Dem 50-Jährigen geht es nach Angaben des früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher den Umständen entsprechend gut. "Vor allen Dingen freut er sich darauf, dass er seine Familie nun in wenigen Stunden, wie er hofft, in die Arme schließen kann", sagte Genscher, der Chodorkowski am Freitag in Berlin in Empfang genommen hatte, am Abend in den ARD-"Tagesthemen".
Wann Chodorkowskis Familie in Berlin eintrifft, war zunächst nicht bekannt. Auch über die weiteren Pläne des einst reichsten Mannes von Russland verlautete nichts. Menschenrechtler haben Chodorkowski bereits eine führende Rolle beim Aufbau der Zivilgesellschaft in Russland angeboten. Ob und wann er in seine Heimat zurückkehrt, ist aber bislang offen. In Berlin stieg er zunächst im Hotel "Adlon" ab.
US-Außenminister John Kerry begrüßte Chodorkowskis Freilassung. Die USA hätten sich wiederholt besorgt über mutmaßliche Verstöße in Gerichtsverfahren und eine selektive Strafverfolgung in Russland gezeigt, sagte Kerry laut einer Mitteilung des Außenministeriums in Washington. Darin rief er zugleich dazu auf, Reformen fortzusetzen, die zu einem transparenten, unabhängigen und glaubwürdigen Justizsystem in dem Staat führten.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte seinen berühmtesten Rivalen am Freitag in einem spektakulären Schritt begnadigt und humanitäre Gründe dafür geltend gemacht. Chodorkowskis Mutter ist an Krebs erkrankt. Regulär hätte er nach zwei international umstrittenen Urteilen im August 2014 in Freiheit kommen sollen. Der frühere Chef des Ölkonzerns Yukos war unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Diebstahls verurteilt worden.
Chodorkowski war bei seiner Freilassung wohl davon ausgegangen, dass seine Mutter in Berlin sei. Die russische Strafvollzugsbehörde teilte mit, Chodorkowski habe um die Ausreise nach Deutschland gebeten, weil dort seine krebskranke Mutter behandelt werde. Nachdem er das Straflager verlassen konnte, flog er sofort nach Berlin - in einem Firmenflugzeug, das Genscher organisiert hatte. Tatsächlich war Marina Chodorkowskaja jedoch längst nach Russland zurückgekehrt.
Genscher hatte sich hinter den Kulissen schon länger um die Freilassung Chodorkowskis bemüht und dazu nach eigenen Angaben auch zweimal Putin zu Gesprächen getroffen. Das Gnadengesuch Chodorkowskis habe er mit einem eigenen Brief weitergereicht, sagte er.
Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert ein dauerhaftes Bleiberecht für Chodorkowski in Deutschland. Wenn er dies wolle, sollte die Bundesregierung ihm einen Aufenthalt ermöglichen, sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). Sie schlug eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis oder politisches Asyl für Chodorkowski vor.
Der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko forderte den Präsidenten seines Landes, Viktor Janukowitsch, in der "Bild"-Zeitung auf, Putins Beispiel zu folgen und die Begnadigung der inhaftierten ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko zu erwirken.