Atommüll in Bayern? CSU wehrt sich gegen Pläne

Bayern gehört mit drei Kernkraftwerks-Standorten seit vielen Jahren zu den größten Produzenten von Atommüll überhaupt. müsste der Freistaat dann auch bei der Lagerung des Atommülls in der Pflicht sein? Die CSU-Staatsregierung stellt sich quer.
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26 Castor-Behälter mit radioaktivem Atommüll sollen in den kommenden Jahren in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein eingelagert werden.
dpa 26 Castor-Behälter mit radioaktivem Atommüll sollen in den kommenden Jahren in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein eingelagert werden.

Eigentlich logisch: Bayern gehört mit drei Kernkraftwerks-Standorten seit vielen Jahren zu den größten Produzenten von Atommüll überhaupt. Also müsste der Freistaat doch auch bei der Lagerung des Atommülls in der Pflicht sein. Doch die CSU-Staatsregierung stellt sich quer.

München/Berlin - Bundesumweltministerin Barbara Hendricks drückt sich noch vornehm aus. "Der Eindruck stimmt, dass Bayern sich reservierter gezeigt hat als andere", sagt die SPD-Politikerin am Freitag in Berlin. Sie stellt ihr Konzept vor, wohin in den kommenden Jahren deutscher Atommüll aus den Wiederaufbereitungsanlagen in Frankreich und Großbritannien gebracht werden soll: nämlich ungefähr gleichmäßig in vier Länder - darunter erstmals auch Bayern. Und dabei lässt Hendricks keinen Zweifel daran, dass sie es selbstverständlich für gerecht hält, wenn auch der Freistaat als einer der größten Atommüll-Produzenten in die Pflicht genommen wird.

Doch noch bevor Hendricks ihr Konzept überhaupt offiziell vorgestellt hat, läuft die CSU schon Sturm: "Ein unfreundlicher Akt", schimpft Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, das Konzept sei nicht mit den Ländern abgestimmt. Und Staatskanzleichef Marcel Huber fährt, sicher in engster Abstimmung mit Ministerpräsident Horst Seehofer, sogar gleich die ganz großen Geschütze auf: Die Staatsregierung droht mit einem Scheitern der ganzen Energiewende. "Wenn der Bund hier allein entscheiden will, stellt er eine Einigung bei der Energiewende insgesamt infrage", lässt Huber mitteilen. Einseitige Festlegungen des Bundes seien "politisch unklug und dreist". Dies müsse, wie alle anderen Fragen, am Verhandlungstisch mit den Ländern gelöst werden.

Fakt ist: Eben solche Verhandlungen mit den Ländern hatte Hendricks im Frühjahr für gescheitert erklärt und deshalb ein eigenes Konzept angekündigt. Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und auch Hessen - drei Länder mit grünen Umweltministern - signalisieren umgehend Zustimmung. Sie hatten auch vorher schon die Aufnahme von Castoren angeboten. "Das ist ein sachgerechter Vorschlag, der Verantwortung und Last für Abfälle aus der Wiederaufbereitung angemessen auf mehrere Länder verteilt", sagt nun beispielsweise der Stuttgarter Ressortchef Franz Untersteller.

Nur aus Bayern kommt wütender Protest - vor allem gegen das "einseitige" Vorgehen des Bundes. Gewichtige sachliche Gründe, warum nicht auch in Bayern Atommüll zwischengelagert werden sollte, werden dagegen nicht mitgeliefert. Das Umweltministerium argumentiert lediglich so: "Die Unterbringung in Deutschland sollte möglichst dort erfolgen, wo die Transportwege aus England und Frankreich kurz sind."

Castoren in Bayern? Huber droht mit Platzen der Energiewende

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat nachgerechnet: "Mehr als 1300 Tonnen hoch radioaktiven Atommüll hat das Land in die Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague in Frankreich und Sellafield in England geschickt", sagt deren Atomexperte, der Kernphysiker Heinz Smital. Nun müsse auch Bayern endlich zu seiner Verantwortung stehen.

Die CSU-Staatsregierung aber erklärt den Castor-Streit flugs zu einem Teil des großen Energiekonzepts, das die große Koalition eigentlich vor der Sommerpause endlich schnüren wollte - bisher war davon nirgendwo die Rede gewesen. "Alles nur im Paket", sagt Ilse Aigner jetzt. Und Staatskanzleichef Huber argumentiert so: "Wir stehen bei der Energiewende auf der Zielgeraden unserer schwierigen, komplexen Verhandlungen." Dabei lasse sich kein Bereich isoliert betrachten und entscheiden. "Alles hängt mit allem zusammen." Eine Energiewende gegen den Willen einzelner Länder habe keine Chance.

Dabei ist es nur ein Land, das in dieser und anderen Fragen der Energiewende alleine steht: Beim Streit um die Stromtrassen steht es 15 zu 1 gegen Bayern. Und nun auch beim Streit um die Castoren.

Deshalb ist es aus CSU- beziehungsweise aus Seehofers Sicht logisch, den Castor-Streit nun ins große Energiepaket miteinzubeziehen und die Verhandlungsmasse zu vergrößern. Bei den Stromtrassen nämlich sieht es so aus, als nützten alle CSU-Versuche nichts, zwei umstrittene neue Höchstspannungsleitungen nach Bayern zu verhindern. Hofft Seehofer im Gegenzug nun auf Zugeständnisse beim Atommüll?

Atom: Bayern droht mit Scheitern der Energiewende

Hendricks reagiert betont kühl. Auf die Frage, ob der Freistaat die Entscheidung kippen könnte, sagt sie: "Atomrechtlich ist es eindeutig, dass Bayern das alleine nicht beeinflussen kann." Für die Genehmigung der Anträge, die die Energiekonzerne nun stellen müssen, sei ausschließlich das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig.

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