IAEA-Experten reisen zu ukrainischem Atomkraftwerk

Das diplomatische Gezerre um einen Besuch von IAEA-Experten beim AKW Saporischschja scheint vorbei. Die Fachleute sind laut Behörde auf dem Weg. Die Reise hat große Bedeutung für den sicheren Betrieb der Anlage.
von  AZ/dpa
Das Kernkraftwerk Saporischschja steht im Südosten der Ukraine. Russische Truppen kontrollieren das Gebiet.
Das Kernkraftwerk Saporischschja steht im Südosten der Ukraine. Russische Truppen kontrollieren das Gebiet. © Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa

Wien - Nach längerem Tauziehen reisen Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in das russisch besetzte Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine. "Ich bin stolz darauf, diese Mission zu leiten, die im Laufe dieser Woche im Kernkraftwerk sein wird", twitterte IAEA-Chef Rafael Grossi am Montagmorgen mit einem Foto des 14-köpfigen Teams. Der Tag sei gekommen, die Unterstützungs- und Hilfsmission nach Saporischschja sei nun auf dem Weg. "Wir müssen die Sicherheit der größten Nuklearanlage der Ukraine und Europas schützen."

Eine Reise von IAEA-Experten ist seit Monaten im Gespräch, scheiterte aber bislang unter anderem an fehlenden Sicherheitsgarantien und Streit über die Modalitäten des Besuchs. Einzelheiten zum Zeitplan und zur Route der Mission wurden zunächst nicht veröffentlicht. Die 1957 gegründete IAEA wacht über die zivile Nutzung der Atomkraft und unterstützt beim sicheren Betrieb der Anlagen. Die Behörde unter dem Dach der UN mit Sitz in Wien hat rund 170 Mitgliedstaaten.

Saporischschja: Größtes Kernkraftwerk Europas

Das größte Kernkraftwerk Europas mit sechs Reaktoren im Süden der Ukraine ist seit März von russischen Truppen besetzt. Immer wieder kommt es zu Beschuss des Kraftwerksgeländes, den sich Russland und die Ukraine gegenseitig vorwerfen. Die internationale Gemeinschaft befürchtet einen möglichen nuklearen Unfall.

Besonders besorgt sind Experten in und außerhalb der IAEA über die Stromversorgung des AKW, mit dem die Kühlung des Nuklearmaterials betrieben wird. Von vier Stromleitungen war zuletzt nur noch eine intakt. Bislang ist in Saporischschja keine Radioaktivität ausgetreten. Laut IAEA sind in den vergangenen Monaten jedoch alle Prinzipien der Anlagen-Sicherheit verletzt worden.

Drohne direkt über Reaktor abgeschossen

IAEA-Experten wollen nun selbst die Sicherheitssysteme und die Schäden am AKW untersuchen, weil die Angaben aus Kiew und Moskau dazu oft widersprüchlich waren. Außerdem möchte sich die IAEA ein Bild von den Arbeitsbedingungen der ukrainischen AKW-Mitarbeiter machen, die seit Monaten unter der Kontrolle russischer Besatzer ihren Aufgaben nachgehen. Obendrein wollen IAEA-Inspekteure sicherstellen, dass alles Nuklearmaterial noch an Ort und Stelle ist.

Russland hat vor dem Besuch von Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im besetzten Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine seine Zusammenarbeit zugesichert. Russland sei an der IAEA-Mission interessiert und an deren Vorbereitung beteiligt gewesen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. "Russland ist offen für eine Zusammenarbeit." Beim Besuch werde es aber nicht um die Frage nach einer möglichen entmilitarisierten Zone rund um das Kraftwerk im Südosten der Ukraine gehen.

Lage am AKW spitzte sich zu

Die Lage am AKW hatte sich zuletzt stark zugespitzt. Am Sonntagabend schlugen angeblich mehrere Artilleriegeschosse in der Stadt Enerhodar ein, in der die Kraftwerksbediensteten wohnen. Wie in den Tagen zuvor machten die russische und die ukrainische Seite sich gegenseitig für den Beschuss verantwortlich. Das Anfang der 1970er Jahre eigens für das Kraftwerk gegründete Enerhodar hatte vor dem russsichen Angriffskrieg rund 50.000 Einwohner.

Wenige Stunden zuvor hatten außerdem russische Truppen angeblich eine bewaffnete ukrainische Drohne direkt über einem der sechs Reaktoren abgeschossen. Russland monierte, die Ukraine wolle mit solchen Schritten einen Besuch von IAEA-Experten in dem AKW verhindern. Der geflüchtete ukrainische Bürgermeister von Enerhodar, Dmytro Orlow, sprach von einer Provokation: Russische Truppen hätten geschossen. Er warf Moskau "nukleare Erpressung" vor, weil sich russische Truppen in dem AKW verschanzten.

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