"Armeechef Kayani wäre denkbare Alternative"
Nach dem Rücktritt von Staatschef Musharraf droht in Pakistan ein Vakuum. Eine Machtübernahme durch Islamisten hält der Außenpolitik-Experte Skiba für unwahrscheinlich. Michaela Duhr sprach mit ihm über mögliche Nachfolger.
Der Rücktritt des pakistanischen Staatschefs Pervez Musharraf ist zwar nicht überraschend, gleichwohl ist die Atommacht auf eine Zeit ohne den 65-Jährigen kaum vorbereitet. Im Westen geht die Angst um, Islamisten könnten das nun drohende Vakuum nutzen, um die Macht zu ergreifen.
«Pakistan in der Hand von Islamisten ist zwar die ultimative Gefahr und wohl die größte Sorge der internationalen Gemeinschaft», sagte Alexander Skiba von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit Netzeitung. «Es ist allerdings zu früh, um über eine Machtübernahme durch Islamisten zu spekulieren. Die fundamentalistischen Islamisten sind noch keine politische Größe und genießen auch in der Bevölkerung wenig Rückhalt.» Es gibt nach Ansicht Skibas noch keine politische Figur, die man mit «einer islamistischen Machtübernahme verbinden könnte und die auch im Militär so stark verankert ist, dass ein solches Szenario vorstellbar wäre». Nach neun Jahren an der Spitze Pakistans trat Musharraf am Montag zurück, um einem Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen. Die Regierungskoalition in Islamabad wollte noch in dieser Woche das Verfahren gegen den Staatschef beantragen.
Keiner will den anderen im Amt haben
Die weitere Entwicklung in Pakistan hängt entscheidend von dem Machtstreit zwischen den beiden Führern der regierenden Parteien PPP und PML-N ab. «Beide, PPP-Vize Asif Zardari und Nawaz Sharif, können sich bestimmt gut vorstellen, die Nachfolge Musharrafs anzutreten, aber das wird wohl keiner dem anderen zugestehen», meint der Politologe. Zardari, Ehemann der bei einem Attentat getöteten früheren Ministerpräsidentin Benazir Bhutto, hatte sein Interesse an dem Amt bereits signalisiert. «Es ist zu hoffen, dass sich die beiden Regierungsparteien zusammenraufen und sich auf einen Kandidaten einigen», fügte Skiba hinzu. Schließlich sei das auch bei der Ernennung von Premierminister Yousaf Raza Gilani gelungen. Eine denkbare Alternative für das Amt des Staatspräsidenten wäre - aus Sicht des Westens - Armeechef Ashfaq Pervez Kayani, sagte Skiba weiter. Damit würde das Militär weiterhin stark in der Politik verankert bleiben. «Das ist unter Gesichtspunkten der Demokratie zwar nicht besonders wünschenswert», räumt der Experte für deutsche Außenpolitik ein, «aber aus stabilitätspolitischer Sicht möglicherweise sinnvoll». Musharraf, der selbst neben seinem Amt als Präsident acht Jahre lang an der Spitze des Militärs stand, hatte im November vergangenen Jahres auf Druck der Opposition die Armeeführung an den früheren Geheimdienstchef Kayani übergeben.
Wo steht Kayani?
Wo Kayani politisch steht, ist bislang nur sehr schwer auszumachen: «Er ist in politischer Hinsicht bisher kaum in Erscheinung getreten.» In dem aktuellen Machtstreit habe er sich zwar zurückzuhalten, doch hinter den Kulissen auf das Amtsenthebungsverfahren eingewirkt, um Musharraf zum Rücktritt zu drängen, sagte Skiba. Welche Agenda Kayani fährt, sei noch völlig offen. Laut der pakistanischen Verfassung muss innerhalb von 30 Tagen von den beiden Parlamentskammern und den vier Provinzversammlungen ein neuer Präsident gewählt werden. In dieser Zeit übernimmt Senatspräsident Mohammadmian Soomro interimsmäßig das Amt. «Der kritischste Moment ist die eigentliche Machtübernahme», meint Skiba. Aber er geht davon aus, dass die USA und andere Staaten versuchen werden, Einfluss zu nehmen, um einen unblutigen Übergang zu schaffen, und um zu verhindern, dass der Staat Pakistan als Ganzes auseinander bricht. «Bisher hatte man das Problem mit einem korrupten Diktator Musharraf zusammenarbeiten zu müsssen, ein zerfallender Staat Pakistan wäre ein noch größeres Übel», warnt der Experte.
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