Arabische Welt in Aufruhr: 200 Tote in Libyen?

Machthaber in der arabischen Welt sehen sich von der Reformbewegung bedroht. Sie greifen teilweise zu brutaler Gewalt. Vor allem in Libyen kennen die Sicherheitskräfte keine Gnade.
dpa |
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Machthaber in der arabischen Welt sehen sich von der Reformbewegung bedroht. Sie greifen teilweise zu brutaler Gewalt, um die Kontrolle über ihre Länder nicht zu verlieren. Vor allem in Libyen kennen die Sicherheitskräfte keine Gnade. Die Zahl der Toten steigt.

Bengasi/Kairo - Die arabische Welt ist in Aufruhr. In Libyen, wo Staatschef Muammar al-Gaddafi seit mehr als 40 Jahren an der Macht ist, sind nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN am heutigen Sonntag weitere Proteste geplant. Am Samstag gingen Tausende Unzufriedene in Libyen, Algerien, Bahrain und im Jemen auf die Straße, um Reformen durchzusetzen. In Libyen reagierte die Staatsmacht mit großer Brutalität.

Diese Vorgehen der Sicherheitskräfte hätte der Opposition neue Energie zugeführt, sagte ein Gaddafi-Kritiker in Libyen zu CNN. Ein Regimegegner sagte dem US-Sender am Sonntag: "Wir wollen, dass Gaddafi geht. Wir wollen Freiheit... Wir wollen Demokratie."

Bei den Unruhen in Libyen sind nach Angaben der Opposition binnen zwei Tagen mehr als 200 Menschen getötet worden. Die Website "Libya al-Youm" sprach am Sonntag von 208 Toten. In der Stadt Bengasi habe sich ein Teil der Soldaten den Aufständischen angeschlossen. Einige Städte sollen nach Angaben von Oppositionellen ganz oder zum Teil "befreit" sein. Von unabhängiger Seite ließen sich diese Informationen jedoch nicht verifizieren.

Auch aus der Küstenstadt Misurata waren am Samstag Massenproteste gemeldet worden. Dort gingen nach Angaben der Nationalen Front zur Rettung Libyens Tausende von Regierungsgegnern auf die Straße und riefen immer wieder "Nieder mit Gaddafi". Berichte über Unruhen gab es aus der Hauptstadt Tripolis.

Gaddafi, der seit 1969 an der Macht ist, und einen extremen Kult um seine Person betreibt, verlässt sich unter anderem auf eine Einheit der Armee, die sein Sohn Chamies leitet. Für einen anderen Teil der Streitkräfte ist sein Sohn Mutassim zuständig. Seinen Sohn Seif al-Islam werden eigene politische Ambitionen nachgesagt. In Libyen sind Parteien verboten.

Libyen macht eine ausländische Verschwörung für die Unruhen verantwortlich. Die staatliche Nachrichtenagentur Jana verbreitete am Samstagabend, die Sicherheitskräfte hätten Angehörige einer Verschwörergruppe festgenommen, darunter Palästinenser, Tunesier und Sudanesen. Es sei möglich, dass der israelische Geheimdienst seine Finger im Spiel habe.

In Bahrain gab es erste Zeichen der Entspannung - dort erhielt die Armee den Befehl zum Rückzug von den Straßen, der Kronprinz erhielt den Auftrag zum Dialog. Am Samstag telefonierte der Nationale Sicherheitsberater Tom Donilon mit Kronprinz Scheich Salman bin Hamad al-Chalifa, um erneut die Gewalt gegen Demonstranten zu verurteilen, wie das Weiße Haus in Washington mitteilte.

Kronprinz Al-Chalifa ist zugleich stellvertretender Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er hatte am Samstag die Streitkräfte aus den Straßen und Wohngebieten des Landes zurück in die Kasernen beordert. Anstelle des Militärs solle nun wieder die Polizei für die Aufrechterhaltung der Ordnung sorgen.

Auch in Marokko haben heute Hunderte Menschen für demokratische Reformen demonstriert. Bürgerinitiativen und Jugendgruppen hatten zum "Tag des Stolzes" mit Kundgebungen in etwa 20 Städten des nordafrikanischen Landes aufgerufen. Sie verlangten unter anderem eine Einschränkung der Macht des Königs Mohammed VI.

Die Zahl der Teilnehmer an den Kundgebungen blieb zunächst weit hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. In der Hauptstadt Rabat waren bei strömendem Regen nach Schätzungen von Augenzeugen etwa 1000 Demonstranten zusammengekommen. Die staatliche Nachrichtenagentur MAP bezifferte die Zahl der Demonstranten auf 150.

Marokko war bislang von den Unruhen in der arabischen Welt kaum betroffen gewesen. Das Land verfügt über eine vielfältige Parteienlandschaft und ein frei gewähltes Parlament. Die Macht der Regierung ist allerdings dadurch eingeschränkt, dass der König in wichtigen Fragen das letzte Wort hat. Der Monarch ernennt auch die Minister für die Schlüsselressorts.

Die Außenminister der Europäischen Union wollten am Sonntagabend und am Montag in Brüssel die Lage in der arabischen Welt erörtern.

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