Applaus für Merz in München: Einer, "der nicht gekünstelt grinst"

München - Mit Wahlkampfwerbung hält sich Friedrich Merz (CDU), der Kanzlerkandidat der Union, am Freitag in München gar nicht erst auf. Beim Wirtschaftsgespräch der vbw - Vereinigung der bayerischen Wirtschaft - spricht Merz staatstragend, und abkürzen muss er die Veranstaltung auch: Ein Gespräch mit US-Vizepräsident J.D. Vance steht gleich im Anschluss an.
Und so steht Merz am Valentinstag vor seinen Zuhörern, darunter Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (alle CSU), und hört vom vbw-Präsidenten Wolfram Hatz, wie sehr man sich auf ihn als nächsten Kanzler freue, einen "Kanzler, der im Leben schon viel geleistet hat", "der wirtschaftliche Zusammenhänge versteht", "der nicht gekünstelt grinst" und, ganz wichtig, "der es mit uns Bayern kann" – es ist noch mal eine Breitseite gegen den amtierenden Kanzler Olaf Scholz (SPD), dem hier offenbar niemand eine Träne nachweinen würde.
Anteilnahme für Anschlagsopfer
Merz spricht zunächst den Opfern des Anschlags vom Donnerstag "in einer so lebensfrohen Stadt" seine Anteilnahme aus. Aus der Tat seien "politische Schlussfolgerungen zu ziehen". Jetzt aber sei vor allem an die Opfer zu denken.
Dann skizziert Merz seine Vorstellungen von der Welt, wie sie bald aussehen wird – in vielen Dingen mit sehr viel weniger Hilfe des "großen Bruders" USA. Es ist eine Welt, in der nach Merz' Ansicht Deutschland in der EU ein "überproportional starkes Engagement" übernehmen muss.
Deutschland müsse "endlich mehr Führungsverantwortung übernehmen", sonst habe die EU keine Zukunft. Der wichtigste Punkt: eine Neujustierung der europäischen Politik vor allem mit Frankreich und Polen, aber auch den nord- und osteuropäischen Ländern. Merz hebt auch die Bedeutung der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz hervor, die Klarheit bringen werde: "An diesem Wochenende werden wir sehen, wie tief der Graben wird über den Atlantik."
Merz: "Kampf gegen Besitzstände" wird kommen
Europa muss Merz zufolge "qualitativ und quantitativ in die Lage kommen", sich zu verteidigen. Dafür aber brauche man eine starke Wirtschaft und weniger Regulierung - da brandet Applaus im Saal auf, ebenso wie bei Merz' Forderung nach dem Rückbau von Bürokratie - auch wenn man da einen "Kampf gegen Besitzstände" werde führen müssen.
Die Leistungsfähigkeit der europäischen Industrie entscheidet nach Merz' Ansicht "über fast alles andere", wie Sicherheit, Klimaschutz und Sozialstaat. Auch Deutschland müsse Industrieland bleiben, wenn auch sehr viel digitaler und unter stärkerer Nutzung von Künstlicher Intelligenz.

Dass Deutschland dabei in Europa die stärkste Rolle spielen müsse, sei keine Hybris, sondern resultiere schon aus der geopolitischen Lage im Zentrum der EU. Klar sei jedenfalls, dass das vielzitierte "Ende der Geschichte" nur Episode gewesen sei. Nun komme ein neues Kapitel der Geschichte, sagt Merz, und stellt die Bundestagswahl vor dem Hintergrund der "sich dramatisch verändernden Bedingungen" in der Welt als Schicksalswahl dar.
Damit Deutschland in der EU der "Wachstumstreiber" sein könne, als den Merz sich das Land künftig vorstellt, muss sich nach Ansicht des CDU-Vorsitzenden auch das Verhältnis vieler zur Arbeit wandeln. Sie sei "Teil des Erfolgs", sagt Merz und erteilt der Vier-Tage-Woche und auch Debatten um eine Work-Life-Balance eine Absage. Stattdessen wirbt er für eine andere Einstellung und mehr Leistungsbereitschaft und geht gleich einmal voran: "Ich habe Freude an meiner Arbeit", sagt Merz und erntet einen ebenso freudigen Applaus.
Schon Kinder sollen das Investieren lernen
Der 69-Jährige bekennt sich zur Rente mit 67, an der man festhalten werde, und wirbt dann doch noch einmal für die Vorstellung der Union von einer "Aktivrente" mit Verdoppelung des Grundfreibetrages für Senioren im Rentenalter, die noch weiter arbeiten möchten.
Bei der Altersvorsorge möchte der Unions-Kanzlerkandidat schon früh beginnen und plädiert für ein "Kapitalkonto" für alle ab dem 6. Lebensjahr, damit schon Kinder lernen, "wie es ist, über eine lange Frist in den Kapitalmarkt zu investieren". Die kapitalbasierte Altersvorsorge stelle einen Paradigmenwechsel dar, gibt Merz zu.

Man brauche aber einen breiteren und tieferen Kapitalmarkt. Dass etwa die in Deutschland gegründeten Biotech-Unternehmen Biontech und Curevac nun beide an der US-Börse Nasdaq gehandelt werden, hätte im Falle französischer Unternehmen Frankreichs Staatspräsident nicht zugelassen. Und er, Merz, werde alles tun, damit sich solche Fälle nicht wiederholten.
Bessere Stimmung im Sommer?
Das Megathema Migration ließ Merz vollkommen außen vor. Stattdessen bemühte er sich, an dem kalten Wintertag Zuversicht zu verbreiten. Noch vor dem Sommer müsse man es schaffen, die Stimmung im Land deutlich zu verbessern.
Vbw-Präsident Hatz indes mahnte, Merz müsse nach der Wahl auch tun, was angekündigt wurde, denn man sei "in Sorge und Angst um unser Land".