Anwälte werfen Schäuble Wortbruch vor
Seit Dezember billigt ein Gesetz Strafverteidigern Abhörschutz zu. Dass das Bundesinnenministerium den nun schon wieder kippen will, erzürnt die Anwälte. Die Kirchen fürchten um das Beichtgeheimnis.
Anwälte protestieren gegen Pläne im Bundesinnenministerium, unter bestimmten Voraussetzungen auch Strafverteidiger, Abgeordnete und Geistliche abzuhören. Erst im Dezember hatte Bundespräsident Köhler im Zusammenhang mit der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung ein Gesetz in Kraft gesetzt, das Strafverteidigern, Seelsorgern und Abgeordneten einen absoluten Schutz vor Lauschgangriffen einräumte. Maßnahmen gegen Ärzte, Journalisten und die übrigen Anwälte sind seitdem dagegen bereits nach Abwägen der Verhältnismäßigkeit zulässig.
Das ist nun obsolet. Ein Referentenentwurf des Innenministeriums für das neue Gesetz für das Bundeskriminalamt sieht unter bestimmten Voraussetzungen auch das Abhören Strafverteidigern vor. Berichten zufolge soll der Abhörschutz nicht mehr gelten, wenn Gefahren für Leib und Leben abgewendet werden können. Zwar gibt es bisher noch keine endgültige Entscheidung, doch die Betroffenen sind alarmiert. «Durch den Vorstoß des Bundesinnenministeriums entsteht der Eindruck, dass das Haltbarkeitsdatum eines Gesetzes unter der eines Joghurtbechers liegt», klagt Ulrich Schellenberg, Mitglied im Vorstand des Deutschen Anwaltsvereins. «Es ist schlicht inakzeptabel, wenn das Bundesinnenministerium noch nicht einmal vier Wochen nach Unterzeichnung durch den Bundespräsident den absoluten Schutz für Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete offen in Zweifel zieht», sagt Schellenberg, der dem Berliner Anwaltsverein vorsteht. «Die Politik muss sich an ihre eigenen Gesetze halten.»
Kein Sicherheitsgewinn
Nicht nur bei den Anwälten stieß das Vorhaben auf Kritik: Die Kirchen fürchten nun um den Schutz des Beichtgeheimnisses. Dies dürfe nicht ausgehöhlt werden, sondern müsse «rechtlich geschützt bleibt», hatte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, verlangt. Der stellvertretende Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin, David Gill, sagte, das Bundesverfassungsgericht zähle Beicht- und Seelsorgegespräche zum Kern privater Lebensführung, in den nicht eingegriffen werden dürfe.
Ein Sicherheitsgewinn sei nicht zu erwarten, wenn das hohe Gut des Beichtgeheimnisses geopfert werde, sagte so der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker. Seelsorger könnten im Rahmen dieser Gespräche sogar Schlimmes verhindern, sofern die Diskretion gewahrt bleibe. Das Beichtgeheimnis verhindert grundsätzlich, dass Geistliche zur Polizei laufen, wenn ihnen Gewalttaten oder Anschläge gebeichtet würden. Kirchenvertreter verlangen zudem, dass auch Briefe oder Telefonate geschützt bleiben. (nz/epd)