Antisemitistisches Motiv: Holocaust-Überlebende in Paris erstochen und verbrannt
Paris - Nach der Ermordung einer 85-Jährigen Holocaust-Überlebenden in Paris gehen die Ermittler von einem antisemitischen Motiv aus.
Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Zugehörigkeit des Opfers zu einer Religion ein, wie die Behörde mitteilte. Zwei Verdächtige wurden am Montag einem Ermittlungsrichter vorgeführt, um Verfahren gegen sie einzuleiten. Der Fall erregte über die Grenzen Frankreichs hinweg Aufsehen.
Tote Jüdin: Ermittler finden Spuren von Messerstichen
Die 85-jährige Jüdin Mireille Knoll war laut einer Mitteilung des jüdischen Dachverbands Crif am Freitag tot in ihrer verbrannten Wohnung in Paris aufgefunden worden. Laut einem Bericht der Zeitung Le Parisien waren an der Leiche des Opfers Spuren von elf Messerstichen gefunden worden. Innenminister Gérard Collomb teilte mit, er sei empört über den abscheulichen Mord. "Alles wird unternommen werden, um die Täter dieses barbarischen Verbrechens zu ermitteln", erklärte er via Twitter.
Dem Online-Portal hagalil.com zufolge handelt es sich bei dem Täter um einen 35 Jahre alten Franko-Maghrebiner, den die Tote seit seinen Kindsheitstagen kannte. Weiter heißt es im Bericht, dass er der alten Dame zuletzt damit gedroht hatte, sie zu verbrennen, woraufhin sie sich bei der Polizei meldete.
"Entsetzt über den tragischen Tod von Mireille Knoll, Überlebende der Schoa", schrieb Frankreichs Oberrabbiner Haïm Korsia auf Twitter. Knolls Sohn sagte der französischen Nachrichtenagentur AFP, seine 1932 geborene Mutter sei 1942 nur knapp vor der "Razzia vom Vélodrome d'Hiver" entkommen, indem sie mit ihrer Mutter kurz zuvor aus Paris geflohen sei. Damals hatten französische Polizisten auf Veranlassung der deutschen Besatzer 13.000 Juden festgenommen. Die meisten von ihnen wurden später ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet.
Charlotte Knobloch: "Diese Tat ist so grausam, dass es mir den Atem raubt"
Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, äußerte sich zum Vorfall: "Diese Tat ist so grausam, dass es mir den Atem raubt. Sollte sich das Motiv Antisemitismus erhärten, wäre das ein weiterer katastrophaler antisemitischer Exzess in Frankreich. Es zeigt sich in verheerender Weise, wie tief und weit verbreitet der antisemitische Hass in unserem Nachbarland wütet. Auch weil die judenfeindlichen Einstellungen zu lange konsequent verharmlost oder gar verleugnet wurden. Insbesondere in Teilen der muslimischen Bevölkerung. Morde und Terrorismus sind auch Folge einer leichtfertigen Politik der Beschwichtigungen und Beteuerungen, der Nachlässigkeit und der Toleranz gegenüber Intoleranz und Hass", so Knobloch in einem Statement, das am Dienstag veröffentlicht wurde.
Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland weiter: "Die Entwicklung in Frankreich ist ein Menetekel für unser Land. Auch bei uns hat der aggressive Antisemitismus von rechts, links und seitens hier lebender Muslime radikale Ausmaße angenommen. Das belegen nicht nur die jüngsten Berichte aus Berliner Schulen, sondern alarmierende Erfahrungen in allen jüdischen Gemeinden in unserem Land. Die Politik in Deutschland muss diese Vorzeichen aus Frankreich nicht nur sehr ernst nehmen, sondern schnell und schlagkräftig alles daran setzen, diese bereits eingesetzte Entwicklung in unserem Land noch rechtzeitig zu stoppen. Ansonsten sehe ich die Zukunft jüdischen Lebens auch in Deutschland in echter Gefahr."
Ähnlicher Fall schon vor etwa einem Jahr
Vor knapp einem Jahr hatte schon einmal ein Mord an einer Rentnerin die jüdische Gemeinschaft in Paris erschüttert, der Fall Sarah Halimi. Der Fall hatte Kritik ausgelöst, weil die Ermittler zunächst nicht explizit von einem antisemitischen Motiv ausgegangen waren – im Februar stufte die Justiz die Tat aber schließlich als mutmaßlich antisemitisch ein.
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