Anschlag auf Mohammed- Karikaturisten: „Das war knapp“
KOPENHAGEN - Um Haaresbreite überlebt der 74-jährige Zeichner der Mohammed-Karikatur einen Mordanschlag. Mit Axt und Messer drang ein Somalier in sein Haus ein. Auch die fünfjährige Enkelin war dort.
Mit Axt und Messer bewaffnet ist ein wildentschlossener Somalier in das Haus des dänischen Karikaturisten eingebrochen. Seit Kurt Westergaard vor mehr als vier Jahren den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban zeichnete, erhält er Morddrohungen. Der 74-Jährige lebt mit strengsten Sicherheitsvorkehrungen – die ihm jetzt das Leben retteten.
„Es war knapp, wirklich knapp“, sagt Westergaard. Seine fünfjährige Enkelin ist am Freitagabend auch in seinem Haus in Aarhus, als der Mann sich mit Gewalt Einlass verschafft: Er schlägt ein Fenster ein. Westergaard hört den Krach und kann sich retten – in den extra angefertigten „panic room“ des Hauses, ein einbruchs- und schusssicherer Raum, mit einem Alarmknopf ausgestattet. Westergaard ruft die Polizei, vor der Tür tobt der 28-jährige Somalier. „Rache“ und „Blut“ schreit der Mann und hämmert gegen die Tür. Radikale Islamisten sollen eine Millionen Dollar Kopfgeld für den Karikaturisten ausgelobt haben. Westergaard fürchtet vor allem um die Enkelin. „Es war grauenhaft“, sagt er. „Aber ihr ist nichts passiert.“ Zwei bange Minuten harrt der 74-Jährige aus. Dann rücken die Polizisten an, viele von ihnen. Der Islamist geht jetzt auf sie los – er wirft seine Axt. „Er hat uns so gekonnt angegriffen, wir mussten schießen“, sagt der Einsatzleiter Fritz Keldsen.
Sie treffen den Mann in Hand und Knie, nicht lebensgefährlich. Auf einer Trage wird der Somalier am Samstag einem Haftrichter vorgeführt, versuchten Mord wirft ihm die Justiz vor. Er streitet das ab, gibt über seinen Anwalt nur zu, im Haus gewesen zu sein. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft. Noch in der Nacht wird Westergaard an einen sicheren Ort gebracht.
Als im September 2005 die Mohammed-Karikaturen in seiner Zeitung „Jyllands-Posten“ veröffentlicht werden, bricht in der islamistischen Welt eine Welle des Protestes los, 150 Menschen sterben. Westergaard ist einer von zwölf Leuten, die an den kritisierten Karikaturen gearbeitet haben. Schon 2008 planten drei Männer einen Anschlag auf ihn. Seit Jahren leben Westergaard und seine Frau unter Polizeischutz. „Ich lasse mich von den Fanatikern nicht einschüchtern“, sagte er vor zwei Jahren in einem Interview. „Ich will den Rest meines Lebens genießen.“
Der dänische Geheimdienst meint, der festgenommene Somalier hätte Verbindungen zu den radikal-islamischen Al-Shabaab-Milizen und zur Führung von El Kaida in Ostafrika, als „sehr schwerwiegend“ stuft er den Fall ein. Helle Thorning-Schmidt, die Parteichefin der oppositionellen Sozialdemokraten, sprach von einem Anschlag auf die Demokratie in Dänemark: „Wir akzeptieren nicht, dass fanatische Islamisten glauben, die Meinungsfreiheit abschaffen zu können.“ Ein Aufschrei ging auch durch die Gemeinschaft der etwa 16000 Somalier in Dänemark. „Das ist schrecklich, ich bin sicher, das sich die gesamte Gemeinschaft gegen den Anschlag wendet“, sagt ihr Sprecher Mohamed Gelle. Die „Reporter ohne Grenzen“ fordern eine harte Strafe: „Manche Muslime mögen von Karikaturen von Kurt Westergaard schockiert gewesen sein, aber nichts rechtfertigt eine solche Gewalt und Intoleranz.“
Wegen dieser Karikatur muss Westergaard ein Leben im Verborgenen führen. Aber: „Ich würde es noch einmal tun“, sagte er. L. Kaufmann