Angela Merkels Werteschmelze
Die Kanzlerin bricht in den Wähler-Umfragen ein – bei Sympathie, Kompetenz und Glaubwürdigkeit.
Berlin - Jetzt hat die Atomdebatte auch die Stellung der Kanzlerin erreicht – mit Wucht: Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel bricht in der Beliebtheit drastisch ein, auch für Schwarz-Gelb insgesamt geht es in den Umfragen nur deutlich runter. Und das vier Tage vor der Schicksalswahl in Baden-Württemberg.
Das dreimonatige Atom-Moratorium scheint für Merkel nach komplett hinten loszugehen. „Das AKW-Moratorium hat der Union ganz klar geschadet”, analysiert Forsa-Chef Manfred Güllner. Eine Lose-Lose-Situation: Knapp drei Viertel der Bürger (71 Prozent) halten das Moratorium laut der neuen Forsa-Umfrage für „reine Wahltaktik” – das heißt, sie glauben nicht daran. Und der Rest findet es falsch: „Stammwähler der Union, die ja eher zu den Befürwortern der Kernenergie zählen, sind über Merkels abrupte Kehrtwende irritiert”, so Güllner. „Sie sagen: In Deutschland hat sich ja nichts geändert.”
Darunter leidet auch das Ansehen der Kanzlerin persönlich. Nur noch jeder zweite (exakt 50 Prozent) schätzt sie als glaubwürdig ein, vor anderthalb Jahren waren es noch 68 Prozent, so die Forsa-Umfrage. Ihr Sympathiewert sank um 17 Punkte auf 55 Prozent, das Vertrauen in ihre Kompetenz fiel um 12 Punkte auf 72 Prozent, das in ihre Führungsstärke um elf auf 65 Prozent. Vier von fünf Bürgern (79 Prozent) sagen nun, Bundeskanzlerin Angela Merkel treffe ihre Entscheidungen allzuoft aus rein wahltaktischen Motiven, sogar zwei Drittel der Unionswähler denken so.
Schlechtester Wert für die Union seit November
Und das schlägt auf die Werte der Union durch: Sie verliert im Forsa-Wahltrend binnen einer Woche drei Prozentpunkte auf nun 33 Prozent – ihr schlechtester Wert seit November. Großer Gewinner sind die Grünen, sie knacken mit plus zwei Punkten nun wieder die 20-Prozent-Marke. Damit liegt Rot-Grün bundesweit mit gemeinsam 45 Prozent sieben Punkte vor Schwarz-Gelb. Für die CDU eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für die Wahlen am Wochenende: In Baden-Württemberg liegt dort nach einer anderen Umfrage Grün-Rot drei Punkte vor Schwarz-Gelb (im Detail: CDU 38 Prozent, FDP 6, Grüne 25, SPD 22).
Und Schwarz-Gelb ringt noch um seine Haltung zum Atomausstieg. Während aus den schwarzen Ländern gestern sehr kernkraft-skeptische Stimmen und Forderungen nach einem schnelleren Ausstieg kamen (Bayerns Umweltminister Markus Söder: „Die Nutzung der Kernkraft war noch nie ein Markenzeichen der CSU”), stemmte sich FDP-Chef Guido Westerwelle etwas gegen diesen Kurs. Er warnte vor einem überhasteten Ausstieg. „Es wäre die falsche Konsequenz aus der nun anstehenden Sicherheitsüberprüfung, wenn wir bei uns die sichersten Kraftwerke der Welt abschalten, um dann Strom aus unsicheren Kraftwerken im Ausland einzukaufen.” Man dürfe nicht so tun, „als wüsste man heute schon alles, was wir aus Japan lernen müssen”.
Vergleichsweise altersmilde schaltete sich auch Altkanzler Gerhard Schröder in die Debatte ein. Über den Sinneswandel der Union sagte er: „Es freut mich immer, wenn Menschen lernfähig sind.”