Angela Merkel vor der Bundestagswahl 2017 - Das raten Experten
Das fragen sich derzeit nicht nur die Anhänger von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Kanzlerin verhält sich auffällig unauffällig. Ist das Strategie oder bloß Ratlosigkeit?
Berlin -"Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mit ihrer Passivität immer gut gefahren", sagt Professorin Romy Fröhlich vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU.
"Aber", so schränkt die Expertin für Wahlkampf und Polit-PR sofort ein, "diese Wahl wird für Bundeskanzlerin Angela Merkel ganz anders werden als die bisherigen." Warum und ob den Deutschen nun mehr Wahlkampf oder Wahlkrampf bevorsteht, das versucht die AZ hier zu beantworten.
Fest steht bereits jetzt, dass es Merkel im Wahljahr 2017 mit einem Gegner zu tun bekommt, der vor Kraft nicht laufen kann. Martin Schulz, der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, eilt von einem Umfragehoch zum nächsten und bietet dem politischen Gegner dabei so gut wie keine Angriffsfläche. Sein Abrücken von der Agenda 2010 – ein kluger Schachzug, der vor allem bei der SPD-Klientel gut ankommt – war der erste und bisher einzige Einblick in seine Pläne.
"Sie steckt in einem Dilemma"
Dass Schulz’ Vorschlag auch negative Konsequenzen wie eine langfristig steigende Arbeitslosigkeit haben könnte, wird von Merkel dezent übergangen. Warum sich Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im Schweigemodus befindet, das hat für Professorin Fröhlich einen einfachen Grund: "Sie steckt in einem Dilemma, weil sie in einer Großen Koalition regiert. Kritisiert sie Schulz, kritisiert sie ihren Koalitionspartner SPD mit. Lobt sie eigene Leistungen, lobt sie die SPD genauso mit."
Das ist beileibe nicht die einzige Schwierigkeit für Merkel. "Problematisch ist auch der Aufstieg der AfD, das Bröckeln der politischen Mitte in ganz Europa", sagt Fröhlich. "Ein solches Szenario hätte ich mir nicht vorstellen können, dass von Ländern wie Ungarn und Polen aus, die in den 50ern bei Aufständen selber Tote zu beklagen hatten, eine solche Bewegung Fahrt aufnimmt."
"Nicht auf Höcke-Niveau herablassen"
Auf die Diskussion mit der AfD müsse sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf jedoch einlassen, so die Politik-Expertin weiter. "Nur darf sie sich keinesfalls auf das Niveau eines Björn Höcke herablassen. Eine solche 180-Grad-Wendung würde in ihrem Fall auch nicht funktionieren. Sie muss sich im Wahlkampf treu bleiben: ruhig, besonnen, diplomatisch – so wie die Deutschen sie kennen." Außerdem habe Merkel zwar auf der einen Seite "Seehofer an der Backe", auf der anderen sei die CSU aber auch bestens geeignet, um die schmutzige Arbeit am rechten Rand zu erledigen.
Dank dieser "Arbeitsteilung" würde Merkel selbst auch für eine Klientel wie zum Beispiel junge Frauen wählbar bleiben, das traditionell eher etwas links von der Mitte beheimatet ist.
"Merkel ragt heraus"
In die Karten spielt der Kanzlerin, dass sie hinter sich ein ganzes Team zur Verfügung hat, das ihr in Krisenmomenten gegebenenfalls beispringen kann. "Ein Kanzleramtsminister oder ein wichtiger Minister, der diese Rolle übernehmen könnte, fehlt Schulz natürlich", so Professorin Fröhlich weiter.
Was die LMU-Wissenschaftlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel raten würde, wenn sie gefragt würde? "Merkel ragt aus dem ,Kandidaten-Hühnerhaufen‘ heraus, diese Rolle als Staatsfrau muss sie im Wahlkampf betonen", glaubt Fröhlich. "Und sie muss sich der so wichtigen Flüchtlingsfrage stellen, auch wenn diese Thematik für sie hochriskant ist. Sie muss erklären können, warum es richtig war, diese Menschen aufzunehmen, dafür muss sie regelrecht ein neues Bewusstsein schaffen."
Und vor allem mit dieser Frage sollte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel möglichst bald beschäftigen, denn "zu glauben, den Menschen etwas so Komplexes in acht Wochen erklären zu können, das wäre hypernaiv".