Am Scheideweg
Der schwierige Nachbar: In knapp sechs Wochen beginnt die EM in der Ukraine, und die Fronten verhärten sich immer mehr. Dabei würde eine einzige Geste von Präsident Janukowitsch reichen, um den Knoten zu lösen: wenn er aus medizinischen Gründen verfügt, dass die inhaftierte Oppositionschefin Julia Timoschenko in Deutschland behandelt werden darf. Die Ukraine ist nicht grundsätzlich eine Diktatur wie etwa China (Olympische Sommerspiele 2008), Janukowitsch ist in freien Wahlen an sein Amt gekommen – übrigens, weil die Wähler den Dauerkrieg der damaligen Ministerpräsidentin Timoschenko gegen ihre früheren Mitstreiter satt hatten. Es ist ein Land im Übergang, nicht mehr Sowjetrepublik, noch nicht Demokratie, schwankend, welchen Weg es einschlägt, zudem zerrissen im Innern: da die westliche Landeshälfte, die sich am Westen und seinen Werten orientiert, dort der Osten, der nach Moskau schaut.
Aber gerade deswegen ist es so wichtig, jetzt damit umzugehen. Jetzt deutlich zu machen, was Rechtsstaat heißt, dass es nicht geht und auch nicht achselzuckend toleriert wird, wenn die Wahlverliererin weggesperrt und misshandelt wird. Wenn durch Drohungen mit einem Politiker-Boykott Druck aufgebaut wird, gut. Ein genereller Boykott (oder gar eine Verlegung nach Deutschland) wäre falsch: Damit bestraft man auch die knappe Hälfte der Ukrainer, die gegen Janukowitsch ist. Lieber hinfahren und zum Beispiel orange Schals tragen.
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