Altkanzler Kohl gegen "Rolle rückwärts"
Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat die Deutschen vor einer Kehrtwende in der Atompolitik nach dem GAU in Japan gewarnt und betont, dass sich an Sicherheit und Risiken der Kernkraftnutzung nichts geändert habe.
Berlin - "Die Lehre aus Japan darf jetzt nicht die berühmte Rolle rückwärts sein", schrieb Kohl in einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung (Freitag). "In Deutschland hat sich dadurch erst einmal und unmittelbar gar nichts verändert." Dagegen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 12. März gesagt: "Die Geschehnisse in Japan, sie sind ein Einschnitt für die Welt." Auch Deutschland könne da "nicht einfach zur Tagesordnung übergehen".
Kohl erklärte: "Das Leben ist ohne Risiken nicht zu haben." Risiken "gehören zum Alltag wie Wind, Wasser und Sonne", schrieb der 80-Jährige, der sich sehr selten so entschieden zur Tagespolitik äußert. "In Deutschland hat sich dadurch erst einmal und unmittelbar gar nichts verändert. Die Kernenergienutzung in Deutschland ist durch das Unglück in Japan nicht gefährlicher geworden, als sie es vorher gewesen ist."
Die Atomkatastrophe dürfe Deutschland nicht lähmen und den Blick für die Wirklichkeit verstellen. "Die Wirklichkeit ist: Deutschland ist nicht Japan. Japan ist nicht Deutschland." Gleichwohl plädierte Kohl dafür, die hiesigen Akw "sicherheitshalber" noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. "Zugleich müssen wir die schwierige Frage der Endlagerung endlich und zufriedenstellend lösen."
Derzeit sind 8 der 17 deutschen Meiler, vor allem die älteren, vom Netz. Im Rahmen eines dreimonatigen Moratoriums soll die Sicherheit aller Akw noch einmal überprüft werden. Wie viele Kernkraftwerke anschließend dauerhaft stillgelegt werden, ist offen. Die Bundesregierung hatte ihr Vorgehen mit einer neuen Lage nach der Atomkatastrophe in Japan begründet. Diese habe gezeigt, dass bisher für unmöglich gehaltene Risiken eintreten könnten.
Nach Einschätzung Kohls wäre ein überhasteter Ausstieg aus der Kernenergie eine gefährliche Sackgasse und würde "nichts zum Guten" bewirken. "Im Gegenteil, wenn das Land, dessen Kernkraftwerke zu den sichersten der Welt gehören und dessen Ingenieurskunst in der ganzen Welt bewundert und geachtet wird, überhastet ausstiege, würde dies die Welt sogar gefährlicher machen."
Denn: "Es ist ein folgenschwerer Irrtum anzunehmen, dass andere Länder uns folgen würden. Uns muss klar sein, dass, solange es keine glaubwürdige, wettbewerbsfähige und umweltschonende Alternative zur Kernenergie gibt, es auch keinen weltweiten Ausstieg aus der Kernenergie geben wird."
Kohl warnt vor einer vorschnellen Festlegung auf bestimmte Energiequellen: "Wir müssen viel stärker als bisher auf einen Energiemix setzen und Wege offenhalten. Wir sollten uns nicht vorschnell und endgültig aus bestimmten Energiequellen verabschieden, wie Gas und Kohle, oder uns auf bestimmte Energien festlegen, wie Wind und Sonne." Man müsse ergebnisoffen alle Möglichkeiten erforschen, schrieb Kohl.
"Je schneller wir Alternativen entwickeln und uns in der Energiefrage breit aufstellen, desto eher können wir aus der Kernenergie aussteigen - und dann auch weltweit Vorbild sein. Bis dahin aber bleibt es für Deutschland ohne Alternative beim konditionierten, aber klaren Ja zur Kernenergie."
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