Althaus und die Schuldfrage: „Ich trage schwer daran“
ERFURT - Dieter Althaus nimmt seine Amtsgeschäfte wieder auf. Thüringens Landesvater räumt erstmals Schuld am tödlichen Skiunfall ein. Trotzdem sagt er: „Ich fühle mich fit“.
Er will so tun, als ob er wieder ganz der Alte ist. Dieter Althaus betritt dynamischen Schrittes den Barocksaal der Erfurter Staatskanzlei. An diesem Montagmorgen hat er die Amtsgeschäfte wieder voll aufgenommen.
16 Wochen nach der Katastrophe seines Lebens: Am Neujahrstag war er auf einer Skipiste in Österreich mit der 41-jährigen Beata Christandl zusammengestoßen, die daraufhin starb. Althaus erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Bis Mitte März wurde der CDU-Politiker in der Reha-Klinik in Allensbach am Bodensee behandelt, danach erholte er sich in seinem Heimatort Heiligenstadt von der schweren Kopfverletzung. Im März verurteilte ihn ein österreichisches Gericht wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 33300 Euro und 5000 Euro Schmerzensgeld.
Doch jetzt ist er wieder da: Seine Partei braucht ihn für den Wahlkampf. Am 30. August stehen in Thüringen Landtagswahlen an, die CDU dümpelt in Umfragen bei 36 Prozent herum und droht die absolute Mehrheit zu verlieren. An diesem Montagmorgen will Thüringens Ministerpräsident den Journalisten beweisen, dass er fit ist. Althaus ist schmaler geworden, er spricht monoton, ja geradezu kalt. Mit seiner Pressekonferenz will er Tatkraft versprühen.
Sein Gesundheitszustand: „Ich fühle mich fit, ich fühle mich gut“, sagt Althaus. Ans Aufgeben habe er zu keinem Zeitpunkt gedacht. Er sei „körperlich vergleichbar fit wie vor dem Unfall“. Gemeinsam mit seiner Frau und den Ärzten habe er von Anfang an darum gekämpft, wieder ins Amt zurückzukehren. Dabei hätten ihm seine Parteifreunde, vor allem auch Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel, beigestanden und ihn ermuntert. „Der Druck war für mich Motivation.“ Experten sind hingegen skeptisch, ob es Althaus wirklich schon so gut geht. In der Regel kann erst nach einem halben bis einem Jahr gesagt werden, welche Langzeitfolgen die Verletzungen haben, heißt es.
Seine Schuld: Vor ein paar Wochen hatte Althaus noch gesagt: „Schuld ist nicht die richtige Kategorie, um ein solch tragisches Unglück zu bewerten.“ Jetzt korrigiert er seine Aussage, indem er das Unfall-Gutachten erwähnt. „Das Gutachten ergibt, dass ich Schuld trage. Das belastet mich. Ich trage schwer daran.“ Ein klares Schuldeingeständnis hört sich anders an. Althaus will lieber über seine Fitness reden als über die moralische Frage, ob er nach dem tödlichen Unfall noch Ministerpräsident bleiben darf.
Sein Opfer: „Ich habe schmerzvoll erfahren, dass Menschen Fehler machen und auf Vergebung angewiesen sind“, sagt Althaus. Er erwähnt den Mann und das Kind seines Opfers. Er hoffe, dass die noch anstehenden Verhandlungen über den Schadensausgleich gut für die Familie ausgehen werden, sagt er. Von sich aus habe er Kontakt zu Christandls Mann gesucht.
Seine Termine: Noch für diese Woche kündigte er „viele Gespräche mit Bürgern und Institutionen“ an. Althaus will vor allem für den Erhalt des Eisenacher Opel-Standorts kämpfen. Er weiß: Die Opelaner sind wichtige Wähler. Auch für andere Firmen will er sich starkmachen. Darüber hinaus begibt sich Althaus auf einen Termin-Marathon: Kabinett-, Fraktions- und Parteisitzungen in Thüringen, aber auch Sitzungen des CDU-Bundesvorstands will der Rückkehrer jetzt wieder regelmäßig besuchen. Die Ärzte haben ihn vor zu viel Belastung gewarnt.
Seine Gegner: Dass Althaus sich jetzt wieder fit präsentiert, kommt seinen Gegnern gerade recht: Die Schonfrist für den CDU-Politiker ist vorbei. Sechs Jahre regiert Althaus – „sechs schlechte Jahre für Thüringen“, findet SPD-Landeschef Christoph Matschie. Althaus’ Regierungsjahre seien verbunden mit Kürzungen in der Bildung, niedrigeren Löhnen, steigender Abwanderung. Auch das Comeback kritisieren die Oppositionellen: Während Althaus sich auf dem CDU-Parteitag in Abwesenheit zum Spitzenkandidaten küren ließ, gab er der „Bild“-Zeitung ein Interview. „Was Dieter Althaus dort praktiziert hat, ist für mich auch ein Zeichen für ein, wie ich finde, gestörtes Demokratieverständnis“, sagte der Spitzenkandidat der Linken, Bodo Ramelow. Ärger gibt es auch darüber, dass Althaus seine Rückkehr in einer Show im MDR-Fernsehen inszeniert. Die Opposition spricht vom „Huldigungsfernsehen“. vth
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