Als Bundesratspräsident: Seehofer ganz oben

Als Bundesratspräsident – und somit Nummer Drei im Staat – reist der Ober-Bayer nach Polen. Samt Regierungsmaschine und hochrangigen Terminen in dem boomenden Nachbarland.
Warschau - Eine ungewohnte Rolle für Horst Seehofer: Der CSU-Chef, für den Bayern sonst immer zuerst kommt und das Berlin auch gern vernehmlich wissen lässt, begibt sich auf internationales diplomatisches Parkett – im Auftrag der Bundesrepublik. Als amtierender Präsident des Bundesrats bereist er noch bis heute Polen. Diplomatie im Dienste der Bundesrepublik: Keine klassische Aufgabe für Seehofer. Dem Ministerpräsidenten selbst scheint die neue Rolle gut zu gefallen. Schon als er in Warschau aus der Regierungsmaschine ausstieg, die sonst Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Präsident Gauck vorbehalten ist, strahlte er.
Ein Treffen mit dem polnischen Präsidenten und Ministern, ein Besuch des Museums des Warschauer Aufstands – ein würdiger Terminkalender für die aktuelle Nummer drei der Bundesrepublik. Das gefällt dem CSU-Chef. Entsprechend staatstragend und verbindlich gab er sich gestern: Polen sei ein „Vorbild für südeuropäische Schuldenländer“, lobte er den Gastgeber. Seehofer, der bislang nicht durch große Reiselust aufgefallen war, scheint auf den Geschmack gekommen zu sein. Erst vor kurzem hatte er in Brasilien Handelskontakte geknüpft und mit der kanadischen Provinz Québec ein Wirtschaftsabkommen unterzeichnet.
Handfeste wirtschaftliche Interessen gibt es auch zwischen Polen und Bayern – weshalb Seehofer in Warschau nicht nur bundesdeutsche Interessen vertreten wird: 8,4 Milliarden Euro betrug das Handelsvolumen zwischen dem Freistaat und seinem östlichen Nachbarn im letzten Jahr. Großkonzerne wie BMW oder Siemens sind in Polen präsent und erfolgreich. Einem solchen Unternehmen wird Seehofer bei seiner Reise heute einen Besuch abstatten: So wird er den Verlag Polskapresse besichtigen, die Teil der bayerischen Verlagsgruppe Passau ist.
Polen entspricht schon lange nicht mehr den gängigen Klischees – im Gegenteil: Polen boomt. Anders als seine Nachbarn rutschte Polen im Krisenjahr 2009 als einziges Land nicht in die Rezession. In den letzten fünf Jahren wuchs die Wirtschaft um 15 Prozent. Niedrige Staatsverschuldung, solide aufgestellte Banken und eine stabile Finanzpolitik haben diesen Aufschwung möglich gemacht. Doch nicht alle profitieren: Vor allem Ältere leiden unter Preissteigerungen und niedrigen Renten.
Trotzdem ist Polens Wirtschaftswachstum weltweit konkurrenzlos – und hat einige deutsch-polnische Vorurteile schlichtweg auf den Kopf gestellt: Denn anders als oft noch angenommen, sind es in den Grenzregionen inzwischen immer häufiger Deutsche, die zur Jobsuche nach Polen pendeln. Seit in Warschau der freundliche Modernisierer Donald Tusk regiert, hat sich das Verhältnis der beiden Nachbarn deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die konservativen Kaczynski-Brüder mit Krawallmache für Unruhe in Berlin sorgten, sind vorbei. Auch heute wird Seehofer bei Gesprächen mit dem polnischen Außen- und Wirtschaftsminister an diesem guten Verhältnis arbeiten. Für Bayern hat er das bereits getan: Vergangenen April erst hatte der Freistaat seine Beziehungen zu Polen vertieft.