Allgemeine Dienstpflicht: Etwas Zustimmung und viel Skepsis

Seit sieben Jahren ist die Wehrpflicht schon ausgesetzt, doch viele Menschen trauern ihr nach, besonders in der Union. Und die CDU-internen Debatten vor der Neufassung des Grundsatzprogramms spülen das Thema nun wieder an die Oberfläche. Mit neuem Ansatz.
dpa |
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Berlin - Eine von Teilen der CDU angeregte allgemeine Dienstpflicht stößt in der Partei selbst und darüber hinaus auf breite Skepsis.

Zwar gibt es auch Unterstützer der an der Parteibasis aufgekommenen Idee eines verpflichtenden Dienstes junger Leute in Bundeswehr oder zivilen Einrichtungen zum Nutzen der Allgemeinheit - zahlreiche Politiker und Experten zweifeln aber an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) äußerte sich wohlwollender und regte eine Volksbefragung dazu an. "Eine Dienstpflicht kann dazu beitragen, sowohl die Herausforderungen im Sozialen als auch bei der Verteidigung unseres Landes besser zu bewältigen", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter mahnt jedoch zur Vorsicht. Ein verpflichtender Gesellschaftsdienst dürfe "weder Arbeitsplätze ersetzen noch stumpfer Selbstzweck sein", gab er in "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" (Montag) zu bedenken.

Zu Guttenberg warnt vor "exorbitanten Kosten"

Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der einst die Abschaffung der Wehrpflicht initiiert hatte, hält eine Grundgesetzänderung für nötig und warnt vor "exorbitanten Kosten". "Die notwendigen Finanzmittel für bis zu 700.000 junge Menschen pro Jahr würden erhebliche Einschnitte in anderen Bereichen nach sich ziehen. Nicht zuletzt bei der Ausrüstung der Bundeswehr."

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Felgentreu, sieht erhebliche rechtliche Schwierigkeiten. "Zwangsdienste sind nach europäischem Recht menschenrechtswidrig", sagte er der "Welt". Ob eine rechtskonforme Umsetzung möglich wäre, sei "völlig offen". Er beobachtet allerdings Sympathien für die Idee "in fast allen politischen Lagern". Dabei gehe es jedoch "weniger um das Stopfen von Personallücken als um Fragen des staatsbürgerlichen Bewusstseins und des gesellschaftlichen Zusammenhalts".

Auch in der FDP gibt es Befürworter. Im Gegensatz zu Parteichef Christian Lindner, der eine Dienstpflicht strikt abgelehnt hat, sagte Bremens FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner der "Bild"-Zeitung: "Ich bin persönlich für ein verpflichtendes Jahr, egal ob Wehrpflicht oder soziales Jahr. Es ist wichtig, früh Verantwortung zu übernehmen und zu lernen für andere einzustehen."

Die Diskussion war aufgekommen, nachdem die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer aus Gesprächsrunden mit der Parteibasis das Bedauern über das Ende der Wehrpflicht und den Wunsch nach einer ersatzweisen Dienstpflicht mitgebracht hatte. Eine Rückkehr zur reinen Wehrpflicht wie vor 2011 wird in den Parteien allerdings von kaum jemandem außer der AfD ernsthaft befürwortet: Zu ungeeignet erscheint sie für die Bedürfnisse einer modernen Armee.

Kramp-Karrenbauer will nun die Frage eines allgemeinen Dienstes, der gleichermaßen für Männer und Frauen offen steht, in die Diskussion für das neue CDU-Grundsatzprogramm einbringen. Dabei wäre auch zu erörtern, ob es einer Pflicht bedarf oder stärkerer Anreize für freiwillige Dienste.

Wer zur Bundeswehr will, kann sich auch bisher schon für bis zu 23 Monate verpflichten. Zudem war nach Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des alternativen Zivildienstes der Bundesfreiwilligendienst geschaffen worden, mit Stellen im sozialen, ökologischen und sonstigen gesellschaftlichen Bereich sowie im Zivil- und Katastrophenschutz. Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, sind derzeit 39.000 Freiwillige im Einsatz.

Auch er hält eine allgemeine Dienstpflicht für rechtlich fragwürdig. Statt solche "Gespensterdebatten" zu führen, müsse der Bundesfreiwilligendienst attraktiver gemacht werden, verlangte er in der "Rheinischen Post" (Montag). Es brauche eine Erhöhung des Taschengelds von derzeit 300 Euro pro Monat, Entlastungen bei Nahverkehrstickets und mehr Teilzeitangebote. "Wenn wir die nötige Finanzierung gesichert bekämen, könnten wir auch mehr junge Menschen beschäftigen."

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