Alles Linke außer Guido

"Politik ist Politik und Schnaps ist Schnaps", sagt Guido Westerwelle. Der FDP-Chef im AZ-Interview über sein Verhältnis zu Angela Merkel, die Union und die Liberalen als Anwalt der Mittelschicht.
von  Abendzeitung
Da war noch alles gut: Angela Merkel und Guido Westerwelle gut gelaunt Seite an Seite einen Tag vor der Bundestagswahl im September 2005.
Da war noch alles gut: Angela Merkel und Guido Westerwelle gut gelaunt Seite an Seite einen Tag vor der Bundestagswahl im September 2005. © dpa

"Politik ist Politik und Schnaps ist Schnaps", sagt Guido Westerwelle. Der FDP-Chef im AZ-Interview über sein Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Union und die Liberalen als Anwalt der Mittelschicht.

AZ: Herr Westerwelle, die alte Vier-Parteien-Landschaft mit den traditionellen Bindungen sortiert sich gerade neu. Kann es sein, dass es um die FDP ein bisschen einsam wird?

GUIDO WESTERWELLE: Solange wir einen steigenden Zulauf von den Bürgern und Bürgerinnen haben, kann es gar nicht einsam für die FDP sein.

Aber die politischen Partner suchen neue Optionen: Die CDU verhandelt seit mit den Grünen, die SPD denkt über die Linke nach.

Ob der Spagat der Grünen mit der CDU in Hamburg und mit den Kommunisten in Hessen funktioniert, bleibt abzuwarten. Für die FDP gilt die Strategie der Eigenständigkeit. Wir sind in erster Linie die einzige liberale Partei in Deutschland und erst in zweiter Linie Koalitionspartner von irgendjemand.

Inhaltlich positionieren Sie die FDP derzeit deutlich als „einzig“: einzige liberale, einzige marktwirtschaftliche Partei inmitten von unterschiedlich gefärbten sozialdemokratischen Parteien.

Das trifft zu. Und die Mittelschicht leidet darunter. Seitdem die FDP nicht mehr regiert, gibt es keinen Anwalt mehr für sie in der Regierung. Die Mittelschicht, das waren mal zwei Drittel der Gesellschaft, als die FDP noch regierte. Jetzt ist es knapp mehr als die Hälfte. Das Rückgrat unseres Landes wird geschwächt.

Die FDP feiert heuer zehnjähriges Jubiläum in der Opposition. Ist es nicht auch schwierig, wenn man für sich glaubt, das Richtige erkannt zu haben – aber die anderen regieren immer miteinander?

Bei der letzten Wahl 2005 hat die FDP eines ihrer besten Ergebnisse in der Geschichte eingefahren. Dass es für Schwarz-Gelb nicht gereicht hat, lag an den Fehlentscheidungen und dem Absturz der Union. Wir machen unsere Arbeit. Und derzeit ist es notwendig, dass wir uns als Kontrastprogramm zu allen anderen Parteien aufstellen, die diesen Linksrutsch ja machen – auch die CSU, die sich in München aufbläst und in Berlin den Schwanz einzieht.

Das klingt sehr enttäuscht im Vergleich zu 2005, als Merkel, Stoiber und Sie gemeinsam gekämpft haben.

Wir sind in der Tat sehr enttäuscht. Darüber, dass die Union in Berlin die Planwirtschaft in der Gesundheitspolitik beschließt und die staatliche Lohnfestsetzung mitmacht. Und wir bedauern sehr, dass alle jetzt höflich den Geburtstag der Agenda 2010 feiern – während in Wahrheit dieses Projekt abgewickelt wird, und zwar von einer christdemokratisch geführten Regierung.

Sind Sie auch von Merkel persönlich enttäuscht?

Ich kann schon Politik und Persönliches unterscheiden. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.

Enttäuschung ist auch auf Seiten der Union da: Fraktionsgeschäftsführer Röttgen sagt über die FDP, sie habe es nicht für nötig gehalten, mit der Zeit zu gehen, und sei auf dem Stand vor zehn Jahren. Ärgert Sie das?

Die Äußerungen von Herrn Röttgen, der die Grünen in den Himmel lobt und die FDP in die Hölle wünscht, sind ein Ausdruck des Linksrucks bei der Union.

Nun hat die FDP gerade beschlossen, sich nach langem Beharren auf Schwarz-Gelb nun doch auch für andere Optionen zu öffnen. Warum jetzt dieser Schwenk?

Wir sehen unverändert die größten inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit der Union, und das wäre auch das Beste für Deutschland, wenn wir wieder klare Verhältnisse durch klare bürgerliche Mehrheiten bekämen. Aber wenn das Ziel nicht erreicht würde, dann werden wir uns nicht so fesseln, dass am Schluss die Linkspartei und Herr Lafontaine bestimmen, wie das Land regiert wird.

Und warum gerade jetzt?

Weil wir jetzt die Ergebnisse der vier Wahlen seit Anfang dieses Jahres kennen und sie strategisch bewerten müssen.

Kaum eine Partei ist so auf eine Person zugeschnitten wie die FDP auf Sie – eher ein Vorteil oder ein Nachteil?

Das stimmt nicht. Die FDP hat eine ganze Anzahl von großartigen, deutschlandweit bekannten Persönlichkeiten, wie etwa Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Dirk Niebel. Dass wir keine Personalstreitereien haben, empfinden unsere Wähler als positiv. Im übrigen glaube ich nicht, dass die FDP mehr auf mich konzentriert ist als die Union auf Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Interview: Anja Timmermann

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