Agenten-Thriller auf dem Balkan

Drei Spione, zwei Regierungen und ein Anschlag: Drei BND-Mitarbeiter sollen einen Anschlag auf die EU-Vertretung im Kosovo verübt haben. Doch es gibt Zweifel an ihrer Schuld. Sabotierten die Deutschen ein europäisches Projekt – oder wurden sie Opfer der Mafia?
von  Abendzeitung
Vor ihrem Untersuchungsrichter in Pristina: die drei beschuldigten BND-Mitarbeiter.
Vor ihrem Untersuchungsrichter in Pristina: die drei beschuldigten BND-Mitarbeiter. © dpa

PRISTINA - Drei Spione, zwei Regierungen und ein Anschlag: Drei BND-Mitarbeiter sollen einen Anschlag auf die EU-Vertretung im Kosovo verübt haben. Doch es gibt Zweifel an ihrer Schuld. Sabotierten die Deutschen ein europäisches Projekt – oder wurden sie Opfer der Mafia?

Wollten drei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes die EU-Vertretung im Kosovo in die Luft jagen? Die Geschichte, die sich gerade auf dem Balkan abspielt, klingt unglaublich. Sie handelt von Agenten, einem Anschlag, zwei Regierungen – und möglicherweise auch von der Mafia. Sie ereignet sich in Europas jüngstem Staat, der erst im vergangenen Februar seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hatte: im Kosovo.

Drei Männer, alle im Dienst des deutschen Geheimdienstes BND, sollen am Freitag vor einer Woche von einem Gebäude aus einen Sprengsatz auf das Hauptquartier der EU-Mission in Pristina geworfen haben. Bei dem Attentat wurde niemand verletzt.

Trotzdem griff eine kosovarische Anti-Terror-Einheit zu: Der erste BND-Mann wurde nach Angaben der kosovarischen Zeitung „Ekspress“ noch am Tag des Anschlags in der Nähe des Tatorts festgenommen. Er habe sich als Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes zu erkennen gegeben.

Die beiden anderen Deutschen wurden laut Polizei am vergangenen Mittwoch festgenommen. „Ekspress“ zufolge handelt es sich bei den Festgenommenen um den 47-jährigen Robert Z. sowie um die 41-jährigen Andreas B. und AndreasJ.

Den Geheimdienstlern wird "Terrorismus" vorgeworfen

Die BND-Männer beteuern ihre Unschuld und sagen, sie hätten den Anschlag aufklären wollen. Die Staatsanwaltschaft werfe ihnen „Terrorismus“ und „Verbindungen zu einem Nachrichtendienst“ vor, sagt Adem Ademi, der Anwalt eines der Tatverdächtigen. Seit mehr als einem Jahr sollen die Deutschen bereits überwacht worden sein. Das Motiv der Täter laut Staatsanwaltschaft: „Behinderung“ des Einsatzes der EU-Rechtsstaatsmission „Eulex“.

Aber warum sollten deutsche Geheimdienstler eine Mission behindern, an der ihre eigene Regierung beteiligt ist? Die drei BND-Männer arbeiteten für die Firma „Logistic Coordination Assessments Services“, einen Investment-Berater für deutsche Unternehmen im Kosovo. Aus BND-Quellen erfuhr die AZ: Das Unternehmen ist eine Tarnfirma für den BND. Und die Mitarbeiter kümmern sich nicht in erster Linie um Aufträge, sondern um Informationen über die angespannte Lage im Kosovo.

„Hauptaufgabe der Investitions-Beratung ist es, möglichst viele Erkenntnisse über Pristina als Umschlagsplatz für Waffenhandel, Geldwäsche, Rauschgifthandel, Zwangsprostitution und Durchreisegebiet für Islam-Terroristen auf den Weg nach Europa zu beschaffen“, sagt der Terrorismusexperte Udo Ulfkotte zur AZ. Er meint: „Die BND-Männer sind jemandem in die Quere gekommen. Seit Jahren wird versucht, ihnen etwas anzuhängen.“

Im Kosovo regiert die Mafia - und die will in Ruhe gelassen werden

Das Kosovo, Europas jüngster Staat, wurde quasi von der Uno zur Welt gebracht. Polizei, Gerichte, Militär und Wirtschaft entwickelten sich unter dem Schirm der Vereinten Nationen. Kritiker sagen, die Uno habe nicht verhindert, dass ehemalige Befreiungskämpfer der UCK als Mafia-Paten vom Aufschwung des Kosovo profitieren. Und: Die Uno habe nicht verhindert, dass im Kosovo Geld im großen Stil gewaschen wird. In diesem Jahr übergab die Uno die Zuständigkeit fürs Kosovo an die EU. 2000 Polizisten, Zöllner, Richter und Verwaltungsbeamte arbeiten in der EU-Mission „Eulex“ daran, das Kosovo als Staat aufzubauen. Dass das den Mafia-Paten nicht gefällt, leuchtet ein. Ebenso, dass sich die Untergrund-Bosse von herumschnüffelnden deutschen Geheimdienstlern gestört fühlen. BND-Experte Ulfkotte ist der Meinung, dass die Verhaftung der drei Deutschen ein abgekartetes Spiel zwischen Gangstern und Politikern ist: „Führende Politiker im Kosovo sind Teil der organisierten Kriminalität.“

Normalerweise akkreditieren Staaten ihre Geheimdienstler bei der Regierung des Gastlandes, doch das ist im Fall der drei Deutschen nicht geschehen. Die Beziehungen zwischen dem Kosovo und Deutschland sind deshalb belastet. Die Bundesregierung schweigt zu dem Fall, BND-Chef Ernst Uhrlau auch, die Opposition im Bundestag fordert jetzt mehr Informationen. Die kosovarischen Ermittler wollen die Deutschen anklagen. Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis.

Volker ter Haseborg

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