AfD bekämpfen oder ignorieren: Politiker über Umgang mit Rechtspopulisten

Der sächsische CDU-Abgeordnete Hermann Winkler will Koalitionen mit der AfD eingehen. Er ist nicht der einzige in der Union. Die CDU-Spitze lehnt das jedoch strikt ab – so wie alle anderen Parteien.
von  Tobias Wolf, Otto Zellmer
Die AfD marschiert Ende 2015 in Berlin auf. Zum Abschluss der Herbstoffensive gegen das „Asylchaos“ ist die Parteiführung ganz vorne mit dabei (ab dem 3. v.l.): NRW-Landeschef Marcus Pretzell, Parteichefin Frauke Petry sowie die Parteivize Alexander Gauland und Beatrix von Storch.
Die AfD marschiert Ende 2015 in Berlin auf. Zum Abschluss der Herbstoffensive gegen das „Asylchaos“ ist die Parteiführung ganz vorne mit dabei (ab dem 3. v.l.): NRW-Landeschef Marcus Pretzell, Parteichefin Frauke Petry sowie die Parteivize Alexander Gauland und Beatrix von Storch. © imago

Berlin, München - Die AfD eilt von einem Wahlerfolg zum nächsten. Inzwischen sitzen die Rechtspopulisten in neun von 16 Landesparlamenten. Der sächsische CDU-Europaabgeordnete Hermann Winkler fordert deshalb, Koalitionen mit der Alternative für Deutschland einzugehen. „Wenn es eine bürgerliche Mehrheit gemeinsam mit der AfD gibt, sollten wir mit ihr koalieren. Sonst steuern wir auf eine linke Republik zu“, sagt er.

Bislang hatte die Union eine Zusammenarbeit mit der Partei strikt ausgeschlossen. Doch Winkler steht mit seiner Forderung nicht alleine da. Kürzlich hatte die – ebenfalls sächsische – Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann erklärt, die CDU dürfte ein Bündnis mit der AfD nicht „für immer und ewig ausschließen“. Ihre umstrittene Parteikollegin Erika Steinbach äußerte sich ähnlich. Die Grünen-Chefin Simone Peter kritisiert das scharf: „Die Unionsdämme brechen weiter. Ekelhaft“, schreibt sie auf Twitter. Und auch in der CDU-Spitze stößt das konservative Trio bislang auf Ablehnung.

Aber wie wollen die etablierten Parteien die AfD stoppen? In dem Buch „AfD: Bekämpfen oder ignorieren“ haben Spitzenpolitiker und Vertreter der Zivilgesellschaft ihre Argumente gegen die Rechtspopulisten niedergeschrieben. Die AZ hat einige herausgepickt. Übrigens: Aus der CSU-Spitze war niemand bereit, für das Buch ein Statement abzugeben.

Neun Meinungen zum Umgang mit der AfD

Armin Laschet, CDU-Vize: „Politik verständlicher machen“

Armin Laschet fordert im Umgang mit der AfD von Politik und Medien gleichermaßen, notwendige Entscheidungen den Menschen klarer verständlich zu machen. Viele der mit der Euro-Rettungspolitik oder der Flüchtlingskrise zusammenhängenden politischen Entscheidungen hätten großer Eile bedurft – umso schwieriger sei es für einige Menschen gewesen, diese Schritte gedanklich mitzugehen. Profiteure dieser Entwicklung seien die Rechtspopulisten. „Dieses Klima begünstigte die Entwicklung der AfD enorm. Sie greift die Verunsicherung und das Unbehagen vieler Bürger auf und präsentiert vermeintlich einfache Lösungen“, erklärt Laschet. Die Partei bediene damit die Sehnsucht vieler Menschen nach simplen Antworten.

Ralf Stegner, SPD-Vize:  "Nicht in den Misthaufen greifen"

Die demokratischen Parteien müssten gegenüber der AfD deutlich politisch Stellung beziehen, fordert der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. Es bedürfe einer klaren Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten, Entgegenkommen sei falsch. „Wer mit in den Misthaufen greift, etwa Koalitionen mit Rechten eingeht, riecht auch danach – und darf sich nicht wundern, wenn dann auch das Vertrauen der verbliebenen Wähler wegbricht“, sagt Stegner. Die Parteien ruft er auf, sich den Menschen als echte Alternativen darzustellen. Stegner spricht sich gegen einen „Schlaftabletten-Wahlkampf für Große Koalitionen“ aus, „der nur dazu führt, dass Menschen die großen Parteien nicht mehr unterscheiden können“.

Anton Hofreiter, Grünen-Fraktionschef: "Keine Dämonisierung"

Der Mangel an Alternativen und politischem Wettstreit zwischen den etablierten Parteien ist ein Grund für den Aufstieg der AfD, glaubt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Politik allerdings sei niemals alternativlos. Das müsste sie aber den Wählern stärker deutlich machen, um so der AfD das Wasser abzugraben. Und: Tabubrüche und Hetze müssten klar als solche benannt werden. „Aber nicht alles, was einem nicht passt, ist rassistisch oder rechtsextrem.“ Wer eine andere Flüchtlingspolitik fordere, sei es Obergrenzen oder Rückführungen, der habe „harte Kritik in der Sache, aber nicht den Vorwurf des Rassismus verdient“. Von einer „Dämonisierung“ der AfD als eine „NPD light“ rät er ab. „Das hatte bisher keinen Erfolg.“

Dietmar Bartsch, Linke-Fraktionschef: "Die Wähler nicht beleidigen"

Die vorsichtige Modernisierung der CDU in den vergangenen Jahren ist ein Grund für den Aufstieg der AfD, glaubt der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch. Nachdem sie ihr Verhältnis zu den Homosexuellen entkrampft sowie sich in der Außenpolitik von ihrer früheren „Souveränitätshuberei“ gelöst habe und proeuropäisch geworden sei, sei sie für National- und Rechtskonservative keine politische Heimat mehr. Trotzdem gehe jede Identifizierung von AfD und Faschismus „zumindest derzeit“ an der Realität vorbei, sagt Bartsch. Wichtiger als der Umgang mit der Partei sei ohnedies der Umgang mit ihren Wählern. Man laufe Gefahr, diese zu beleidigen, wenn die AfD zu stark von den anderen Parteien ausgegrenzt würde.

Elmar Brok, CDU-Europaabgeordneter: "Konkurrenz für die NPD"

Die AfD und die anderen euroskeptischen Parteien in den EU-Mitgliedsstaaten sind die „vielleicht größte Bedrohung der kommenden Jahre für die Europäische Union“, sagt der Europa-Abgeordnete Elmar Brok. Der große Teil der AfD-Wähler sei zwar nicht rechtsradikal, so der CDU-Politiker. Doch es mangele meist an einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Komplexität und Vielschichtigkeit der Probleme, mit denen die Gesellschaft derzeit konfrontiert sei. Die AfD habe sich „von ihren euroskeptischen, aber politisch doch relativ gemäßigten Wurzeln aus der Anfangszeit längst entfernt und ist zu einer nationalkonservativen Partei geworden“. Sie sei an den rechten Rand des Parteienspektrums gerückt und „macht der NPD Konkurrenz“.

Franz Müntefering, Ex-SPD-Chef: "Die AfD nicht verharmlosen"

Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering glaubt nicht, dass sich die AfD dauerhaft im Parteiensystem halten kann. Die AfD stehe nicht für eine Krise der Demokratie. „Sie ist Episode“, sagt Müntefering. Daher dürfe die Politik sich nicht nach der AfD ausrichten. „Sie eignet sich nicht als Fixpunkt im politischen Handeln der Großen Koalition und der demokratischen Parteien“, so der ehemalige Vizekanzler. Zugleich ist Müntefering aber gegen eine Verharmlosung der AfD. Der Hype um diese Partei lege Dinge frei, „die beunruhigend sind und die nicht verdrängt werden dürfen“, so der Sauerländer. Er selbst war einer der wichtigsten Politiker im wiedervereinigten Deutschland. Der AfD-Einzug in die Parlamente sei ärgerlich, aber auch die „Stunde der Wahrheit“.

Katja Suding, FDP-Vize: "AfDler verweigern die Arbeit"

Die stellvertretende FDP-Vorsitzende fordert die Parteien in den Parlamenten auf, die AfD über die Arbeit ihrer Abgeordneten zu kritisieren. „Man muss ihren Wählern und allen Wahlberechtigten des Landes zeigen, dass in diesem Lager oftmals wenig politischer Sachverstand und keinerlei Substanz versammelt ist“, fordert Suding. Reine Empörung über die Äußerungen von diversen AfD-Politikern reiche nicht aus. Die FDP-Politikerin vertritt die Meinung, dass die AfD-Mitglieder nach dem erfolgreichen Einzug in viele Landesparlamente dort „bisher keine konstruktiv arbeitenden Teilnehmer des politischen Prozesses geworden sind, sondern die Arbeit verweigern, andere Abgeordnete bepöbeln oder Anträge schamlos abkupfern.“

Charlotte Knobloch, Israelitische Kultusgemeinde: "Sie sind im Kern Antisemiten"

Vor dem Hintergrund des Erstarkens der AfD sieht die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, die Demokratie vor einer Bewährungsprobe. Die Demokraten könnten sich derzeit nicht mehr ein „weiter so“ leisten, sagt Knobloch. „In diesen Monaten geht es darum, die freiheitlich-demokratische Verfasstheit unseres Landes nicht nur zu beteuern, sondern zu sichern – sie mit Leidenschaft zu verteidigen.“ Knobloch ruft dazu auf, nicht den richtigen Zeitpunkt dafür zu verpassen. Denn: „Nichts ändert sich schneller als sicher geglaubte Verhältnisse.“ Zudem behauptet Knobloch, Rechtspopulisten seien im Kern Antisemiten ohne Wenn und Aber – „egal wie sehr sie es abstreiten.“

Aiman Mazyek, Chef des Zentralrats der Muslime: "Muslime dürfen nicht schweigen"

Deutschland erlebe erstmals seit der Nazi-Diktatur das Erstarken von extremen Gruppierungen, die offen und offensiv mit den Muslimen eine religiöse Minderheit angreifen und ihr die Existenzberechtigung hierzulande absprechen, schreibt der Chef des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft sollte nicht länger zögern, „sich gegen diese aufkommende Pogromstimmung zu sträuben. Muslime in Deutschland hätten Angst, „was da landauf und landab an Hass und Gewalt aufkomme“. Mit Blick auf den islamistischen Terror fordert Mazyek aber auch die in Deutschland lebenden Muslime auf, nicht zu schweigen, wenn Unrecht geschehe. Sie müssten für Menschenrechte und Religionsfreiheit eintreten.

"AfD bekämpfen oder ignorieren" - Über das Buch

Das Buch wird von dem Politikberater Christian Nawrocki und dem Journalisten Armin Fuhrer herausgegeben, erscheint im Kellner Verlag und kostet 14,90 Euro.

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