Acht Tage Krieg: Gewinner und Verlierer
GAZA/TEL AVIV Aufatmen im Nahen Osten: Nach acht Tagen Krieg herrscht nun tatsächlich Ruhe. Die vereinbarte Waffenruhe hält bisher: Seit Mitternacht feuerte weder die Hamas Raketen nach Israel noch flog Israel Angriffe auf den Gazastreifen. Eine erste Bilanz, wer in dem Waffengang gewonnen und wer verloren hat.
Die Hamas. Im Gazastreifen war der Jubel groß: Die ganze Nacht wurde auf den Straßen ausgelassen gefeiert, Menschen verteilten Bonbons und schwenkten palästinensische Fahnen. Selbst in der israelischen Presse wurde die dort regierende Hamas als einer der Profiteure des Kriegs aufgezählt. Bisher galt sie als Terroristengruppe, mit der nicht geredet wird – jetzt sieht die Vereinbarung vor, dass sie für die Israelis die noch radikaleren Gruppen in Schach hält. Auch die Tatsache, dass sie einerseits trotz der heftigen Angriffe bis zum Schluss in der Lage war, Raketen abzufeuern, und dass sie andererseits eine Lockerung der Blockade des Gazastreifens erreicht hat, festigt ihre angeschlagene Position im Lager der Palästinenser. Sie rief den 22. November als neuen Feiertag aus.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Er inszeniert sich nun als der starke Mann, der mit „militärischer Macht und diplomatischem Urteilsvermögen“ (so seine Selbstbeschreibung) das Schiff weise durch stürmische Wogen gelenkt hat. Er habe der Hamas empfindliche Schläge zugefügt und dafür gesorgt, dass die Bürger im Süden Israels wieder ruhig schlafen könnten, sagte er – eine Botschaft zum Auftakt des Wahlkampfs. Verteidigungsminister Ehud Barak: „Die Ziele sind vollständig erreicht worden.“ Einige kritisierten, dass die Armee nicht noch härter habe zuschlagen lassen; viele zeigten sich erleichtert, dass ein verlustreicher Bodeneinsatz vorerst abgewendet ist. Andere kritisierten, dass er die Hamas gestärkt habe.
Der Muslimbruder Mursi ist der große Sieger
Die Bevölkerung im Gazastreifen. Sie ist erstmal froh, dass die Luftangriffe vorbei sind. Wichtig ist aber vor allem, dass die Blockade des Gazastreifens gelockert werden soll. Der israelische Rundfunk meldete, dass der Verkehr von Waren und Personen an den Grenzübergängen erleichtert werden soll. Und: Der Acht-Tage-Krieg hat die Lage im Gazastreifen wieder in den Fokus gerückt. Deutschland zum Beispiel will seine humanitäre Hilfe für das Gebiet jetzt um 1,5 Millionen Euro aufstocken.
Ägypten. Die Regierung in Kairo hat die zentrale Rolle beim Zustandekommen der Waffenruhe gespielt. Der bisher als Muslimbruder skeptisch beäugte Präsident Mohammed Mursi hat sich damit kometenhaft ein neues Standing verschafft. US-Präsident Barack Obama und seine Außenministerin Hillary Clinton würdigten ihn demonstrativ und persönlich, auch Israels Außenminister Avigdor Lieberman, der schon mal den Assuan-Staudamm bombardieren wollte, dankte Mursi ausdrücklich. Gleichzeitig ist es auch ein Erfolg für US-Präsident Obama: Nachdem der Einfluss der USA im Nahen Osten zuletzt stark geschwunden war, konnte er nun wieder einen Erfolg verbuchen. Netanjahu sagte, er habe „auf Anraten Obamas“ der Waffenruhe zugestimmt.
Die Opfer. Auf palästinensischer Seite gab es 162 Tote und 1300 Verletzte, auf israelischer fünf Tote und 100 Verletzte – sie und ihre Angehörigen sind die größten Verlierer.
Die gemäßigten Palästinenser. Aus dem Westjordanland, das von Mahmud Abbas regiert wird, sind schon lange keine Raketen mehr geflogen – Verhandlungen gibt es mit ihm dennoch nicht. Bei einer Razzia gestern nahmen israelische Sicherheitskräfte 55 Palästinenser mit.