Achilles-Ferse: Die Bombe vom Kanzleramt
Die Bombe an Merkel schreckt auf: Nur wenige Tage nach dem Paket-Terror aus dem Jemen zeigt sie die verwundbarste Stelle im Sicherheitssystem gegen Anschläge. Was tun gegen die Gefahr per Post?
BERLIN Die Bombe im Kanzleramt war offenbar das Werk griechischer Autonomer – und hatte mit dem El-Kaida-Sprengsatz nichts zu tun. Doch die beiden Ereignisse, so kurz hintereinander, offenbaren die Achillesferse in unseren Sicherheitssystemen: Per Post können Bomben bis ins Kanzleramt vordringen – und sie fliegen kaum kontrolliert in Passagiermaschinen als Fracht mit. Was tun, um das zu verhindern?
Woher kam die Bombe für Merkel? Alles deutet daraufhin, dass sie von griechischen Linksradikalen stammt (siehe unten). 13 baugleiche Sprengsätze an weitere EU-Ziele wurden bisher entdeckt: In ausgehöhlten Büchern war explosives Pulver versteckt. „Dafür reichen Kenntnisse eines Gymnasiasten“, so ein Ermittler. Ein Spezial-Team des BKA ist auf dem Weg nach Griechenland.
Wie reagiert Bundeskanzlerin Angela Merkel? Sie hat gestern erstmal ihre Poststelle besucht und den Mitarbeitern für ihre „Wachsamkeit, Umsicht und Professionalität“ gedankt, so Regierungssprecher Steffen Seibert. Außerdem forderte sie dringend ein gemeinsames internationales Schließen von Lecks im Post- und Frachtsystem: „Das muss Anlass sein, die Kontrollen für Frachtgüter innerhalb Europas, mit den Vereinigten Staaten und möglichst weltweit besser abzustimmen. Ich will nichts beschönigen: Die Gefahr existiert.“
Was soll jetzt passieren? Auf deutscher Ebene war ohnehin am Montag wegen der Jemen-Bombe ein Krisenstab eingerichtet worden, etwa, wie staatliche Stellen, Kurierfirmen und Fluglinien besser zusammenarbeiten können. Der hat nun gleich noch ein paar Aufgaben mehr. „Es geht um die Kernfrage: Sind die Zuständigkeiten richtig verteilt? Das wird ohne Scheuklappen geprüft“, so das Innenministerium. Auch die EU wird aktiv: Für Freitag ist eine Sondersitzung von Sicherheitsexperten aller 27 EU-Länder anberaumt. „Die Fachleute prüfen, was passiert ist. Danach wird die Kommission entscheiden, welche Konsequenzen gezogen werden“, so ein Kommissionssprecher. Deutschland will noch heuer schärfere Kontrollen durchsetzen. „Immerhin ist Deutschland der Hauptumschlagplatz für Luftfrachtverkehr, insbesondere vom Nahen Osten in die USA“, so Seibert. Innenminister Thomas de Maizière will kommende Woche beim Treffen mit seinen EU-Amtskollegen erste Schritte anschieben.
Wie funktioniert das eigentlich mit dem Frachtverkehr? Fast die Hälfte des gesamten Luftfrachtaufkommens fliegt in regulären Passagiermaschinen mit – ohne dass die es wissen. „Einerseits werden Passagiere weltweit schikaniert und werden Kontrollen bis auf Zahnpasta und Rasierwasser unterzogen. Andererseits gibt es die erstaunlichen Lücken bei Luftfracht“, klagt der EU-Abgeordnete Martin Schulz (SPD). Bisher ist es in der EU so, dass sich Kunden – in der Regel Firmen– von Frachtairlines als „Bekannter Versender“ registrieren lassen müssen. Den Transport zum Flughafen muss ein „Reglementierter Beauftragter“ übernehmen. Ist dies der Fall, wird nicht mehr kontrolliert. Kommt die Sendung von einer Privatperson, müssen die Cargogesellschaften sie checken. Allerdings hat die Technik ihre Tücken: In der Regel werden Röntgen-Strahlen benützt, und die finden nicht unbedingt Sprengstoff. Die Fracht-Branche klagt schon, dass schärfere Kontrollen den globalen Warenstrom bremsen und verteuern würden (siehe den Vulkanausbruch, der die Autoproduktion lahmgelegt hat).
Wie wird in Poststellen kontrolliert? Firmen und Behörden lassen wenig Details über ihre Sicherheitssysteme raus, um Attentätern keine Tipps zu geben. Generell gilt erhöhte Vorsicht bei fehlerhaften Adressen, fehlenden oder unglaubwürdigen Absendern, Hinweisen wie „persönlich“, ungleiche Gewichtsverteilung, Flecken und überhöhte Frankierung – sowie Geruch nach Mandel und Marzipan. tan