Abweichlerin denkt an Mandatsverzicht
Wird sie oder wird sie nicht? Der Plan einer rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen ist nach einer Vorstandsitzung der Landes-SPD doch noch nicht vom Tisch. Abweichlerin Metzger erwägt eine weitreichende Entscheidung.
Die hessische SPD hält am Regierungsanspruch ihrer Vorsitzenden Andrea Ypsilanti fest. Möglicherweise wird sie doch versuchen, sich mit Hilfe von Grünen und Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Die Darmstädter Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger, die der Parteichefin unter diesen Umständen die Stimme verweigern wollte, denkt nach eigenen Worten ernsthaft über einen Mandatsverzicht nach.
Auf einer gemeinsamen Sitzung von Landesvorstand, Parteirat und Landtagsfraktion in Frankfurt am Main geriet Metzger am Samstag heftig unter Druck. Ypsilanti und viele andere Teilnehmer forderten sie auf, im Fall eines Parteitagsbeschlusses einzulenken oder ihr Abgeordnetenmandat niederzulegen. Daraufhin räumte die Abweichlerin ein, ihre Partei müsse handlungsfähig bleiben. Sie werde in den kommenden Tagen entscheiden, ob sie einen Parteitagsbeschluss mittrage, ihr Mandat zurückgebe oder doch an ihrer Ankündigung festhalte.
Beratung mit der Parteibasis
Sollte auch ein Landesparteitag für den Ypsilanti-Plan sein, «kann ich mir vorstellen, mein Mandat niederzulegen», sagte Metzger. Sie werde darüber in den nächsten Tagen mit der Parteibasis in ihrem Wahlkreis beraten. Mit dem Plan Ypsilantis wird sich voraussichtlich ein Landesparteitag am 29. März befassen. Die SPD-Gremien haben Metzger eine Frist bis Dienstag gesetzt.
Dem ZDF sagte Metzger, die SPD müsse handlungsfähig bleiben. «Es kann nicht sein, dass ein Fraktionsmitglied dann letztendlich querschießt und im Parlament etwas nicht mitträgt, (wozu) ein Parteitagsbeschluss da ist.» Sie überlege daher, «das Mandat dann doch lieber niederzulegen, als letztendlich dann immer der ausgegrenzte Abgeordnete zu sein». Ihre Glaubwürdigkeit setze sie nicht aufs Spiel, «denn meine Entscheidung ist ja noch nicht getroffen. Ich bin jemand, der klare Entscheidungen trifft und die muss ich jetzt einfach überlegen.»
Nachdem Metzger ihr die Unterstützung verweigert hatte, hatte Ypsilanti am Freitag erklärt, nun doch nicht als Ministerpräsidentin zu kandidieren. Die Landtagsabgeordnete Petra Fuhrmann schloss am Samstag aber nicht aus, dass Ypsilanti später - etwa im Mai - antreten könnte. Bis ein neuer Regierungschef gewählt ist, bleibt Ministerpräsident Roland Koch (CDU) geschäftsführend im Amt.
Weg einer Minderheitsregierung sei «folgerichtig»
Gegen die Kritik der SPD-Bundesspitze pochte Ypsilanti auf die Eigenverantwortlichkeit der Landesverbände bei der Regierungsbildung. Parteirat und Fraktion in Hessen verabschiedeten nach ihren Angaben einstimmig ein Papier für den «Aufbruch in die Soziale Moderne». Es stellt fest, dass die FDP nicht zu einer Ampelkoalition bereit sei und eine große Koalition in Hessen an unüberbrückbaren Hürden zwischen SPD und CDU scheitere. Der Weg einer Minderheitsregierung sei daher folgerichtig.
In der hessischen Bevölkerung verliert die SPD laut Umfragen wegen des Streits an Unterstützung. Nach einer Emnid-Umfrage für «Focus» hat die SPD im Vergleich zur Landtagswahl zwei Prozentpunkte eingebüßt. Derzeit erhielte sie 35 Prozent. Die Linke würde zwei Punkte zulegen und 7 Prozent erreichen. Die übrigen Parteien blieben stabil: Die CDU bei 37, die FDP bei 9 und die Grünen bei 7 Prozent. Nach einem Bericht der «Leipziger Volkszeitung» gibt es Bemühungen um ein Bündnis von CDU, FDP und Grünen (Jamaika-Koalition), das von der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) geführt werden könnte, während Koch den Vorsitz der Landtagsfraktion übernähme. Ein Sprecher der CDU-Politikerin sagte: «Frau Roth verfügt über die nötigen Qualifikationen, um eine solche Zusammenführung zu begleiten. Sie kann in der Lage sein, eine Jamaika-Koalition herbeizuführen.» In Kreisen der Landes-CDU sprach man dagegen von Unfug. Die FDP lehnte eine Stellungnahme ab. (AP/dpa)