Abrechnung bei Escada

Die etwas andere, die gediegene Hauptversammlung: Klassische Musik rieselt aus den Lautsprechern im Foyer des Arabella Sheraton, weiße Blüten schmücken Stehtische. Aktionärstreffen bei Escada, einem immer noch großen Namen in der Modewelt.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Die etwas andere, die gediegene Hauptversammlung: Klassische Musik rieselt aus den Lautsprechern im Foyer des Arabella Sheraton, weiße Blüten schmücken Stehtische. Aktionärstreffen bei Escada, einem immer noch großen Namen in der Modewelt.

Die Welt bei Escada selber ist lange nicht mehr, wie sie sein sollte. Manager und Aufsichtsräte gaben sich in den letzten Jahren die Klinke in die Hand, 27,3 Millionen Miese im vergangenen Geschäftsjahr, vor kurzem noch eine Gewinnwarnung, eine angedachte und dann doch verworfene Übernahme durch den Investor Apax, andere Fusionsgerüchte.

Passiert ist bisher nichts, außer dass der Aktienkurs neue Tiefen auslotete. Einen muss dies besonders geschmerzt haben: Escada-Gründer Wolfgang Ley, 70 Jahre alt, eine gepflegte Erscheinung, der immer noch knapp zehn Prozent an dem Unternehmen hält, eine ehemalige Escada-Verkäuferin auf der Hauptversammlung wie eine liebe Verwandte begrüßt – und später nicht auf dem Podium, sondern unter dem Aktionärs-Fußvolk Platz nimmt.

"Bereit für ein Comeback"

Oben, bei den Chefs, neue Gesichter, unter anderem Aufsichtsratschef Claus Mingers. Der verhaspelt sich wiederholt beim Vorlesen der Regularien, spricht über den „Bösenkurs“ anstelle des „Börsenkurses“, lacht über sich selbst. „Ich mache das ja zum ersten Mal.“ Hinter ihm, in der Reihe der Aufsichtsräte, Rustam Asenenko, der russische Großaktionär, einst als Retter geholt, der dann durch eine unglückliche Personalpolitik das Elend von Escada noch verschlimmerte.

Jean-Marc Loubier tritt auf, der Vorstands-Chef, lobt die „Stärkung der Handtaschen-Expertise im Verkauf“ , die „Optimierung der Kostenstruktur“, die „feminine Ausrichtung“ der Kollektion. „Escada ist bereit für ein Comeback.“

"Unglaubliche Kapitalvernichtung"

Das sehen selbst Unternehmens-Insider anders. Eine Escada-Mitarbeiterin etwa, deren Schreiben Aktionärsschützer Christoph Öfele vorliest. Warum sich Jean-Marc Loubier nicht zu einem Umzug von Paris nach München habe entschließen können, fragt die Frau. Und warum seit seinem Amtsantritt Englisch die Unternehmens-Sprache sei – eine Sprache, in der sich Loubier selbst schwer tue? Ein anderer Aktionär spricht von „unglaublicher Kapitalvernichtung“, will eine konkrete Aussage von Jean-Marc Loubier: „Was haben Sie eigentlich konkret zum Unternehmenserfolg beigetragen?“ Und er fragt mit ätzendem Sarkasmus, warum Escada einen dicken Währungsverlust aus Geschäften mit dem koreanischen Won ausweise. „In meinem persönlichen Alltag spielt der koreanische Won keine wesentliche Rolle. Warum eigentlich bei Escada?“

Wolfgang Ley beteiligt sich nicht an dieser Schlammschlacht. Er stimmt für die Entlastung sowohl des Vorstandes als auch des Aufsichtsrates, äußert sich am Rand der Hauptversammlung lobend über Ober-Kontrolleur Mingers. „Ich bin sehr froh, dass er da ist.“ Ley steht in Treue zu Escada: „Ich habe nicht vor, meine Aktien zu verkaufen.“ Dabei hätte er alle Gründe für einen Ausstieg: Über wichtige Gespräche um die Zukunft von Escada wurde er offensichtlich nicht einmal im Ansatz informiert, obwohl Ley in der Branche kein Nobody ist, vor dem Ausscheiden als Escada-Chef den Umsatz der Kernmarke steigerte.

Tantiemen trotz schlechter Ertragslage

Nur wenige Meter von ihm entfernt steht Jean-Marc Loubier. An dem Franzosen scheinen die Angriffe der Anteilseigner abzuperlen. „Es ist wohl so eine Regel, dass es so etwas auf Hauptversammlungen gibt“, sagt er. Später beantwortet Aufsichtsrats-Chef Mingers Fragen nach Loubiers Tantiemen, die trotz der miserablen Ertragslage gezahlt wurden. Natürlich habe der Aufsichtsrat mit Loubier über dessen Bezahlung gesprochen, sagt Mingers und muss verdrückt grinsen. Man habe vor Loubiers Antritt per Headhunter nach einem Boss gesucht und dann über die Bezahlung verhandelt. „Ich muss ehrlich sagen, da hat sich Loubier sehr gut eingebracht.“ sun

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