Abbas in Berlin: Scholz' fatales Schweigen

Palästinenserpräsident Abbas relativiert in Berlin den Holocaust – der Bundeskanzler steht stumm daneben. Und dann bekommen alte Vorwürfe um Steuerbetrug auch noch neue Nahrung.
von  Christian Grimm
Schaut erschrocken, sagt aber nichts: Bundeskanzler Scholz (r.) während der Holocaust-Äußerungen von Palästinenserpräsident Abbas.
Schaut erschrocken, sagt aber nichts: Bundeskanzler Scholz (r.) während der Holocaust-Äußerungen von Palästinenserpräsident Abbas. © Wolfgang Kumm/dpa

Berlin - Ein dreiviertel Jahr nach der Amtsübernahme steckt Bundeskanzler Olaf Scholz das erste Mal schwer in der Klemme. In Israel hat er Empörung ausgelöst, weil er geschwiegen hat, als Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas auf deutschem Boden die Judenvernichtung relativierte. Der Sturm, der ihn erfasst, wird durch neue Anschuldigungen im Hamburger Finanzskandal um den Steuerbetrug der Warburg Bank verstärkt. "Dass Mahmoud Abbas – auf deutschem Grunde stehend – Israel vorwirft, 50 Holocausts begangen zu haben, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine monströse Lüge", echauffierte sich israelische Premierminister Yair Lapid.

Die Sicherheit Israels ist wegen der Verbrechen der Nationalsozialisten deutsche Staatsräson, "nie wieder Auschwitz" der Grundstein der Bundesrepublik. Weil an diesem ausgerechnet in Berlin gerüttelt wurde, steht der Kanzler nun mehr als blamiert da. Er sagte kein Wort, als Abbas am Dienstag bei der gemeinsamen Pressekonferenz auf eine Frage nach dem Olympiaattentat von 1972 Israel vorwarf, seit Jahrzehnten einen Massenmord an den Palästinensern zu verüben. Scholz gab Abbas sogar zum Abschluss vor laufenden Kameras die Hand.

Späte Reaktion von Kanzler Scholz

Wenige Stunden später traf den SPD-Politiker die israelische Entrüstung. Am Mittowch reagierte er und erklärte: "Ich bin zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas. Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel." Damit es richtig verstanden wurde, veröffentlichte er seine Worte auf Deutsch, Englisch und Hebräisch.

Schon zu diesem Zeitpunkt hätte die Woche für den 64-Jährigen kaum schlechter laufen können. Denn morgen muss er sich in seiner Heimatstadt Hamburg im Untersuchungsausschuss ein zweites Mal Fragen zu seiner Rolle im Finanzskandal um die Warburg-Bank stellen. Pünktlich zur Befragung gibt es neue Vorwürfe gegen den früheren Bürgermeister der Hansestadt.

Wie Stern, Norddeutscher Rundfunk und das "Manager Magazin" melden, hat die Staatsanwaltschaft Köln das E-Mail-Postfach der Scholz-Vertrauten Jeanette Schwamberger durchsucht. Die Volkswirtin leitet das Büro des Kanzlers. Es steht der Verdacht im Raum, es seien nachträglich Termineinträge über Treffen von Scholz mit Bänkern und Politikern entfernt worden.

Scholz und die Affäre Warburg

Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt, wie es dazu kam, dass Warburg eine Steuerrückforderung von 47 Millionen Euro zunächst nicht an das Finanzamt zahlen musste. Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob der damalige Bürgermeister Scholz politisch Einfluss auf die Entscheidung der Beamten genommen hat. Dreimal hatte er sich mit dem Aufsichtsratschef des Geldhauses, Christian Olearius, getroffen. Was beide besprachen, daran will sich Scholz nicht erinnern. Zuletzt wurde dem Verdacht neue Nahrung gegeben, weil in einem Schließfach des früheren Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs über 200.000 Euro gefunden wurden.

Der Finanzexperte Gerhard Schick verlangte von Scholz, nach zweieinhalb Jahren der bohrenden Fragen die Karten auf den Tisch zu legen. "Die Vorwürfe, dass er im Bundestag die Unwahrheit gesagt und sich für reiche Banker mit kriminellen Geschäften eingesetzt hat, wiegen schwer", sagte Schick unserer Redaktion. "Bundeskanzler Scholz muss Klartext reden, was da in Hamburg gelaufen ist." Schick war früher Finanzpolitiker der Grünen und ist heute Chef der Bürgerbewegung Finanzwende, die den Einfluss der Finanzindustrie auf politische Entscheidungen zurückdrängen will.

Es habe in Hamburg die gezielte Beeinflussung der Politik durch die Banker gegeben. "In anderen Ländern nennen wir so etwas Oligarchenwirtschaft", kritisierte Schick.

Noch vergangene Woche hatte sich Olaf Scholz zuversichtlich gezeigt, dass die Affäre Warburg für ihn ausgestanden sei. "Dann ist immer das Ergebnis, es hat keine Beeinflussung durch die Politik gegeben", hatte er in der Sommerpressekonferenz mit den Hauptstadtreportern gesagt.

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