50. Todestag von Konrad Adenauer: Der Vater der Republik
Rhöndorf - Die junge Republik erstarrte in kollektiver Trauer. Die Rundfunkanstalten unterbrachen ihre Programme und spielten nur noch ernste Musik, die Fahnen auf allen öffentlichen Gebäuden wehten auf halbmast, Menschen weinten: Als sich am 19. April 1967 die Nachricht verbreitete, dass der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer († 91) in seinem Haus in Rhöndorf bei Bonn an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben war, trauerte das ganze Land wie eine Familie um ihren geliebten Vater.
Ein Deutschland ohne die prägende Gestalt des Patriarchen, der als erster Bundeskanzler nach der nationalsozialistischen Diktatur, dem Krieg und dem Holocaust die Geschicke der Bundesrepublik von 1949 bis 1963 geleitet hatte, konnten sich viele nicht vorstellen.
Selbst der politische Gegner würdigte das Lebenswerk des "Alten aus Rhöndorf": "Wir verneigen uns in Ehrfurcht vor einem Mann, der für sein Volk Großes gewollt und Großes erreicht hat", sagte der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag (und spätere Bundeskanzler) Helmut Schmidt.
Deutschlands größte Trauerfeier
Das Begräbnis am 25. April 1967 gilt bis heute als die größte Trauerfeier, die es in Deutschland je gab. Hunderttausende standen am Rhein, als der Leichnam in einem Schnellboot der Bundeswehr von Köln, wo im Dom das Requiem stattfand, nach Rhöndorf gebracht wurde, Millionen verfolgten die Zeremonie an den Fernsehgeräten.
Auch 50 Jahre nach seinem Tod gilt Adenauer als großer Deutscher, dessen Platz im Geschichtsbuch nicht infrage gestellt wird – selbst wenn er im Umgang mit anderen schwierig, misstrauisch und rücksichtlos war. Jüngst entdeckte Unterlagen belegen, dass er seinen Herausforderer Willy Brandt sogar bespitzeln ließ.
Doch das verblasst hinter seinem Lebenswerk: Er führte das besiegte, besetzte und geteilte Land in den Kreis der Völkergemeinschaft zurück. Er bürgte im Innern für politische Stabilität, wirtschaftlichen Aufschwung und sozialen Ausgleich. Der von ihm eingeschlagene Kurs, für den die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die soziale Marktwirtschaft, die Westorientierung mit der Einbindung in die europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Nato, die Wiederbewaffnung sowie die Aussöhnung mit Israel und Frankreich standen, erwies sich als stabil. Bis heute ruht Deutschland auf dem von Adenauer gelegten Fundament.
Seine eigene Stimme gab den Ausschlag
Dabei war der am 5. Januar 1876 in Köln geborene Katholik schon 73 Jahre alt, als er am 15. September 1949 mit 202 der 402 Stimmen vom ersten Deutschen Bundestag zum Regierungschef gewählt wurde – seine eigene Stimme gab den Ausschlag. 14 Jahre sollte er im Amt bleiben. Nur Helmut Kohl amtierte noch länger – von 1982 bis 1998 –, Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte ihn in zwei Jahren überholen.
Seine politische Prägung erfuhr der Kölner im Kaiserreich, dessen preußische Dominanz der rheinländische Separatist strikt ablehnte. In der Weimarer Republik war er Oberbürgermeister von Köln. Die Nazis setzten ihn ab, die Amerikaner wieder ein – dann entließen ihn die Briten wegen angeblicher "Unfähigkeit".
Doch Adenauer zog sich nicht aufs Altenteil zurück: Als Mitbegründer der CDU im Rheinland zog er die Strippen bei der Wiederbegründung des politischen Lebens im Nachkriegsdeutschland. Als Präsident des Parlamentarischen Rates 1948/49 schuf er sich eine glänzende Ausgangsposition für seine Karriere in der 1949 gegründeten Bundesrepublik. Als Kanzler hatten die Aussöhnung mit den Gegnern von einst und die Integration in die freie, westliche Welt Priorität. 1957 gewann er als bisher einziger Regierungschef die Bundestagswahl mit absoluter Mehrheit.
Unwürdiges Schauspiel im Anschluss
Danach sank sein Stern. 1959 lieferte er ein unwürdiges Schauspiel um das Amt des Bundespräsidenten. 1961 verhielt er sich apathisch, als das SED-Regime in Berlin die Mauer baute. 1962 kam es im Zuge der "Spiegel-Affäre" zu einer innenpolitischen Krise. 1963 musste er sein Amt dem populären Wirtschaftsminister Ludwig Erhard übergeben.
Als Adenauer im April 1967 starb, wurde mit ihm eine ganze Epoche zu Grabe getragen. Eine neue Zeit kündigte sich an. 1968 rebellierten die Studenten gegen die Enge und Saturiertheit der Adenauer-Ära, 1969 zog der SPD-Chef Willy Brandt ins Kanzleramt ein.
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