33 Fragen bis zum Pass
München - Zum ersten Mal fand in München jetzt ein Einbürgerungstest statt. Die AZ hat eine Krankenschwester aus der Ukraine und einen Reisekaufmann aus Ghana zur Prüfung an der VHS begleitet
Barbara Kreutz stellt die große Wanduhr auf einen Stuhl. Es ist 13.30 Uhr. Noch eine halbe Stunde. Dann beginnt im Gasteig in den Räumen der Volkshochschule (VHS) der erste Einbürgerungstest in München.
Für den Premieren-Termin haben sich 400 Ausländer angemeldet, aus allen Teilen der Welt. Osteuropa, Südamerika, Asien, Afrika. Jeder von ihnen hat eine Stunde Zeit, 33 Fragen zu beantworten: 30 zu deutscher Geschichte, Politik und Kultur, drei zum Bundesland Bayern. Zu welchem Fest tragen Menschen in Deutschland bunte Kostüme oder Masken – am Rosenmontag, am Maifeiertag, beim Oktoberfest oder an Pfingsten? Was ist mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar – Prügelstrafe, Folter, Todesstrafe, Geldstrafe? Die Bundesrepublik Deutschland hat die Grenzen von heute seit – 1933, 1949, 1971 oder 1990?
Wer 17 Fragen richtig beantwortet, hat bestanden. Um einen deutschen Pass zu bekommen, müssen die Prüflinge außerdem ein Sprachzertifikat machen. „Die Einführungskurse zum Einbürgerungstest waren gut gebucht“, sagt VHS-Sprecherin Susanne Lößl. Nur hier kann in München der Test gemacht werden. Die ausgefüllten Formulare schickt die VHS zur Korrektur an die Regionalstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. In sechs Wochen kommen die Ergebnisse per Post. Wer durchfällt, kann beliebig oft wiederholen.
Nur Pass, Einladung und Kugelschreiber dürfen auf dem Tisch liegen
Barbara Kreutz hat im Raum 3148 heute Prüfungsaufsicht, sonst ist sie Deutschlehrerin an der Volkshochschule. Drei Gruppen betreut sie an diesem Nachmittag, beim ersten Mal ist sie genauso aufgeregt wie die Prüflinge. „Bitte machen Sie Ihre Handys aus“, sagt sie. Nur Pass, die Einladung zum Test und ein Kugelschreiber dürfen auf dem Tisch liegen. Barbara Kreutz hat extra ein dickes Päckchen Stifte dabei. Die Teilnehmer schweigen. Sie starren auf ihre Tische und prüfen ihre Schreibgeräte. Dann hakt Barbara Kreutz die Anwesenheitsliste ab. Alle zwölf sind gekommen. „Nur eine Antwort von vier Möglichkeiten, die sie ankreuzen können, ist korrekt.“ Ein Blick zum Nachbarn hilft nichts – alle Tests beinhalten andere Fragen in unterschiedlicher Reihenfolge. 13.40Uhr. Noch 20 Minuten.
Dann geht es los. Durchlesen, kurz überlegen, ankreuzen. Dass die eine Stunde Prüfungszeit großzügig kalkuliert war, wusste Barbara Kreutz vorher. Die Ersten sind schon nach ein paar Minuten fertig. Oxana Beranek lässt sich etwas mehr Zeit. Die 39-Jährige lebt seit 1990 in Deutschland und arbeitet als Krankenschwester im Schwabinger Klinikum. „Eine hat schon nach drei Minuten abgegeben, ich habe 15 Minuten gebraucht.“ Obwohl sie Prüfungsangst hat und ziemlich aufgeregt war. Bei ein paar Fragen musste sie etwas länger überlegen, zum Beispiel als es darum ging, in welchen Abständen der Landtag gewählt wird.
„Ich mache den Test für meine Söhne“, sagt Oxana Beranek. Sie sind zehn und zwölf Jahre alt, hier geboren, fühlen sich als Deutsche. „Wenn ich mich einbürgern lasse, dann bekommen meine Kinder automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. In der Ukraine waren sie in ihrem Leben erst eine Woche lang.“
"Dann darf ich endlich wählen"
Anna B., Softwareentwicklerin aus Rumänien, kam vor acht Jahren nach München. „Ich habe eine ,Greencard’ bekommen“, sagt sie in fast akzentfreiem Deutsch. „Den Test habe ich mir fünf Minuten lang durchgelesen und dann in fünf Minuten beantwortet.“ Anna B. schaut regelmäßig Nachrichten und TV-Reportagen. „Und ich interessiere mich für Geschichte.“ Sicherheitshalber hat sie trotzdem gelernt. „Ich habe mir alle 300 Fragen ausgedruckt und sie in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit immer wieder durchgelesen. Aber eigentlich ist der Test doch verlorene Zeit. Und für die 25 Euro Prüfungsgebühr hätte ich mir auch ein schönes Buch kaufen können.“ Trotzdem freut sie sich auf ihren deutschen Pass: „Dann darf ich endlich wählen und habe das Gefühl, dazuzugehören.“
Bald beginnt die zweite Runde. Für die hat sich auch Eben Harrison angemeldet. Der 36-jährige Ghanaer ist um 15.30 Uhr dran und zu früh da. „Ich bin Reisekaufmann und direkt nach der Arbeit hierher gekommen.“ Jetzt sitzt er vor seinem Prüfungsraum und geht noch mal alle Fragen durch. Die Blätter sind verknickt und abgegriffen. Eben Harrison hat viel gelernt in den letzten Wochen. „Aber ich glaube, ich schaffe das. So schwer wird es schon nicht werden“, sagt er.
Er hofft, dass es mit den Behörden leichter wird, wenn er Deutscher ist. „Vor allem mit meinem Sohn, er ist zweieinhalb Jahre alt, die Mutter ist Deutsche. Für ihn wird es besser sein.“ Den Einbürgerungstest hält er für eine gute Idee: „Man lernt viel dabei. Ich weiß jetzt etwas über die Politik und über meine Rechte hier“, sagt Harrison und lacht. „Wenn ich später hier rausgehe, dann bin ich schon fast ein Deutscher.“ Spätestens in sechs Wochen – wenn er den Test bestanden hat und seinen Pass beantragen kann.
Christoph Landsgesell
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