15 Jahre länger Atomstrom? – Widerstand gegen Röttgen-Pläne wächst
BERLIN - Im Streit um längere Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke (AKW) formiert sich innerhalb der Koalition der Widerstand gegen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU).
Dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zufolge favorisiert ein Bündnis aus Unions-Fraktion, süddeutschen Ländern und Wirtschaftsministerium, die Reaktoren im Schnitt um 14 Jahre länger laufenzulassen. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sprach am Sonntag von 15 Jahren. Röttgen strebt acht Jahre an.
Friedrich sagte: „Wir brauchen eine angemessene Verlängerung der sicheren deutschen Kernkraftwerke von mindestens 15 Jahren. Die zuständigen Bundesminister tun gut daran, in dieser Frage den engen Schulterschluss mit den Koalitionsfraktionen zu suchen.“ Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), empfahl Röttgen, er sollte „anerkennen, dass die Mehrheit in Partei und Fraktion Kernkraft für eine längere Zeit als er für absolut nötig hält, um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten“. Pfeiffer betonte, die Fraktion werde der von der Koalition beschlossenen Brennelementesteuer nicht zustimmen, „ohne dass die Gesamtfrage in diesem Sinn gelöst ist“.
Röttgens Vorgänger als Bundesumweltminister, der heutige SPD-Chef Sigmar Gabriel, sagte, „entweder ist Herr Röttgen zu schwach, um sich gegen die Atom-Fans in seiner Partei durchzusetzen. Oder der Wiedereinstieg in die Atomwirtschaft ist allen Sonntagsreden zum Trotz sein persönliches Ziel“. In beiden Fällen wäre er als Bundesumweltminister ungeeignet. Sollten sich die „Hardliner in Fraktion und Ländern“ durchsetzen, wäre der Minister auf ganzer Linie gescheitert.
Grünen-Parteichefin Claudia Roth prophezeite der Koalition einen „ganz heißen Herbst“, wenn sie die AKW-Laufzeiten um 14 Jahre verlängern wolle. „Wer atomaren Wind sät, wird bürgerrechtlichen Sturm ernten“, sagte Roth. Zehntausende Menschen würden auf die Straße gehen. Millionen Wähler würden bei den Landtagswahlen 2011 gegen solchen „Irrsinn“ stimmen, sagte Roth voraus. Die Grünen würden zudem vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, sollte die Koalition die Laufzeitverlängerung am Bundesrat vorbei „durchzocken wollen“. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kündigte an, bei einem Regierungswechsel 2013 würden längere Laufzeiten wieder rückgängig gemacht.
Derzeit ist umstritten, ob der Bundesrat einer Verlängerung der Laufzeiten zustimmen muss oder nicht. SPD und Grüne sehen die Beteiligung der Länderkammer zwingend gegeben. Der Plan der Laufzeitverlängerung sei daher ohne Chance, sagte Trittin. Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warnte Schwarz-Gelb vor der „zentralen Illusion“, dass ein Vorschlag, wie immer er aussehen möge, am Bundesrat vorbei komme.
CSU-Chef Horst Seehofer trat unterdessen Berichten entgegen, er sei für eine unbegrenzte Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Kein Kraftwerk habe eine unbegrenzte Lebenszeit. Er sei für längere Laufzeiten unter der Maßgabe der absoluten Sicherheit und solange Energieeinsparung, eine höhere Energieeffizienz und erneuerbare Energien die Kernkraft noch nicht ersetzen können. Eine Jahreszahl nannte Seehofer nicht.
ddp