100 000 bei Papstmesse in Freiburg

Papst Benedikt XVI. hat die Katholiken in Deutschland zur Umkehr und Erneuerung aufgerufen.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Papst Benedikt XVI. hat die Katholiken in Deutschland zur Umkehr und Erneuerung aufgerufen.

Freiburg/Erfurt - "Christliches Leben muss stets neu an Jesus Christus Maß nehmen", sagte Benedikt am Sonntag in seiner Predigt vor 100 000 Gläubigen bei einem Gottesdienst unter strahlend blauem Himmel in Freiburg.

Zugleich mahnte der Papst Treue zu Rom an. Nach einem Mittagessen mit den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz wollte das 84 Jahre alte Kirchenoberhaupt Bundesverfassungsrichter im Freiburger Priesterseminar und engagierte Katholiken im Konzerthaus treffen. Am Abend war die Rückreise des Papstes, der zuvor Berlin und Thüringen besucht hatte, nach Rom geplant.

Benedikt genoss seinen letzten Auftritt vor einem so großen Publikum während seiner Deutschlandvisite sichtlich: Vor dem Gottesdienst fuhr er mit dem Papamobil eine große Runde über das gesamte Gelände, winkte und segnete Kinder.

Viele Menschen hatten sich schon mitten in der Nacht auf den Weg gemacht, einige übernachteten sogar auf dem Gottesdienst-Gelände. Schon Stunden, bevor der Papst eintraf, hatten die Gläubigen gemeinsam Lieder gesungen und sich so auf die Messe eingestimmt. In die Nähe der großen Altarbühne, auf der Benedikt die Messe feierte, kamen die Gläubigen allerdings nicht: Die ersten Reihen für die normalen Pilger begannen aus Sicherheitsgründen erst weit hinten.

In seiner Predigt hob der Papst hervor, der Mensch habe eine von Gott gegebene Freiheit, zwischen Gut und Böse zu wählen. Gott habe seiner Macht selbst eine Grenze gesetzt, "indem er die Freiheit seiner Geschöpfe anerkennt", sagte Benedikt. Angesichts alles Schrecklichen, was in der Welt geschehe, gebe es heute Theologen, die sagen, Gott könne nicht allmächtig sein, sagte der Papst. Der Schöpfer von Himmel und Erde sei aber allmächtig, er übe seine Macht nur anders aus, "als wir Menschen es zu tun pflegen", erläuterte er.

Eindringlich warnte das katholische Kirchenoberhaupt vor "religiöser Routine" in der Kirche. "Nicht auf das Reden, sondern auf das Tun kommt es an, auf die Taten der Umkehr und des Glaubens", sagte Benedikt. Er kritisierte vor allem "kirchliche Routiniers", die in der Kirche nur noch den Apparat sähen, ohne dass ihr Herz vom Glauben berührt wäre.

Benedikt zeigte sich in der dritten und letzten großen Messe seines Deutschlandbesuchs zuversichtlich, dass die Kirche in Deutschland die großen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft bestehen und der "Sauerteig in der Gesellschaft" bleiben werde. Alle müssten dafür zusammenarbeiten, sich gegenseitig stützen und bereichern. "Macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr fest in Jesus Christus geeint seid", rief er den Gläubigen zu.

Vier Tage Papst in Deutschland, und immer wieder große Emotionen: 29 000 Pilger, vor allem Jugendliche, kamen am Samstag zu einer stimmungsvollen Gebetsvigil mit Benedikt im Abendlicht. Wie zuvor schon bei der überschwänglichen Begrüßung am Freiburger Münster ertönten "Benedetto"-Rufe, zehntausende Kerzen erleuchteten das Areal.

Im Gespräch mit der Spitze des Zentralkomitees der deutschen Katholiken kritisierte der Papst laut Vatikan die Vielzahl der katholischen Gremien und Verbände in Deutschland. "Ehrlicherweise müssen wir doch sagen, dass es bei uns einen Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist gibt." Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt sei eine Krise des Glaubens.

Der Papst traf sich am Samstag auch mit Vertretern der Orthodoxen Kirche in Deutschland. "Unter den christlichen Kirchen und Gemeinschaften steht uns die Orthodoxie theologisch am nächsten", betonte er nach Angaben des Vatikans. Dagegen hatte er am Freitag die Hoffnung vieler Protestanten auf mehr Miteinander mit den Katholiken nicht erfüllt. Bei einer Begegnung mit Helmut Kohl würdigte Benedikt den 81-Jährigen als Kanzler der Einheit.

Es war ein Deutschlandbesuch mit großem Programm - und noch größeren Erwartungen. Ein Reizthema bleibt der Umgang mit Opfern sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester und Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen. Hinter verschlossenen Türen traf der Papst am Freitagabend in Erfurt fünf Missbrauchsopfer - nach Meinung von Kritikern eine "scheinheilige Farce".

Als historisch und spektakulär wurden Benedikts Auftritte im Bundestag in Berlin und beim Ökumene-Gipfel in Erfurt gewertet. Selbst frühere Kritiker sprachen von deutlichen Zeichen und Gesten. Mehr noch: Ausdrücklich würdigte der Papst das Wirken des Theologen Martin Luther. Der frühere katholische Mönch und spätere Reformator hatte vor knapp 500 Jahren die Kirchenspaltung ausgelöst. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sprach von einer "faktischen Rehabilitation" - und umarmte den Gast aus Rom. Ebenfalls in Erfurt hob der Papst den Mut der Katholiken in Zeiten der DDR hervor.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.