Zwei Jahre nach dem Polizistenmord: Ist das Phantom nur ein Phantom?

Existiert die unheimliche Serientäterin, die angeblich in ganz Deutschland morden und rauben soll, gar nicht? Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen "begründete Zweifel". Möglicherweise gibt es eine simple Erklärung für die insgesamt 40 identischen DNA-Spuren.
von  Abendzeitung

Existiert die unheimliche Serientäterin, die angeblich in ganz Deutschland morden und rauben soll, gar nicht? Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen "begründete Zweifel". Möglicherweise gibt es eine simple Erklärung für die insgesamt 40 identischen DNA-Spuren.

HEILBRONN/STUTTGART Sie beschäftigt 45 Ermittler der "Soko Parkplatz" in Stuttgart, dazu Hunderte Kollegen in Deutschland, Österreich und Frankreich. Sie mordet kaltblütig, gilt als meistgesuchte Verbrecherin Deutschlands. An 40 Tatorten hat die "Frau ohne Gesicht" ihre DNA hinterlassen, die Polizei jagt sie seit zwei Jahren, ohne Erfolg. Jetzt nimmt der Fall eine überraschende Wende: Ist das Phantom nur ein Phantom?

"Es gibt begründete Zweifel an der Existenz der Serienmörderin", sagt der Sprecher der Saarbrücker Staatsanwaltschaft, Ernst Meiners. Der Zusammenhang zwischen den Tatorten könnte ganz simpel sein: Die Wattestäbchen! Möglicherweise sind die Stäbchen, die die Fahnder zur Aufnahme von DNA-Material verwenden, von Anfang an mit dem Genmaterial einer Frau verunreinigt gewesen. Zum Beispiel mit dem einer Verpackerin in einer Wattestäbchen-Firma.

Keiner hat die mysteriöse Frau je gesehen

Konkrete Zweifel kamen der Polizei, als sie die Identität einer verbrannten Leiche klären wollte. Bei dem Mann handelte es sich um einen im Jahr 2002 verschwundenen Asylbewerber. Die Untersuchung seines Fingerabdrucks ergab aber eine Übereinstimmung mit dem genetischen Profil der Phantomtäterin. "Das konnte nicht sein", sagt Meiners. Die Leiche wurde erneut untersucht – da war die Gen-Spur plötzlich weg. Schnell war den Ermittlern klar, dass die DNA an ihren eigenen Gerätschaften haften musste.

Diese Theorie würde erklären, warum das Bild der Täterin bisher äußerst schemenhaft geblieben ist. So wurde ihr Zellmaterial bei mehreren Einbrüchen sichergestellt. Die danach verhafteten Einbrecher bestritten aber stets, eine Komplizin gehabt zu haben. Zuerst war die DNA-Spur der mutmaßlichen Serientäterin in Heilbronn sichergestellt worden. Am 25. April 2007 hatten Unbekannte auf einem Parkplatz auf zwei Polizisten geschossen. Eine 22-jährige Beamtin starb, ihr 24 Jahre alter Kollege überlebte, er kann sich aber bis heute nicht erinnern. Im Jahr 2008 tauchte die DNA im Fall eines bei Heppenheim ermordeten georgischen Gebrauchtwagenhändlers auf und am Fiat einer 45-Jährigen, die bei Heilbronn tot aufgefunden wurde. Weitere Spuren gab es im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in Österreich und Frankreich.

Es gab von Anfang an viele Ungereimtheiten

Merkwürdig scheint auch der Täterkreis, mit dem die Frau sich umgeben haben soll: Im Zusammenhang mit den DNA-Funden ermittelte die Polizei gegen Slowaken, Serben, Polen, Rumänen, Kroaten, Deutsch-Iraker, Albaner und Franzosen – die Täterin hätte also extrem sprachbegabt sein müssen. In Bayern fand sich übrigens keine einzige DNA-Spur der Frau. Offenbar kein Zufall – laut "Stern" bezieht die bayerische Polizei ihre Wattestäbchen von anderen Herstellern.

"Theoretisch kann die Verunreinigung bereits beim Pflücken der Baumwolle passiert sein", sagt Meiners von der Saarbrücker Staatsanwaltschaft. Die Stäbchen, die auch in der Medizin verwendet werden, werden zwar sterilisiert. Dieser Prozess tötet aber nur Bakterien ab, DNA-Spuren wie Haut-Partikel oder Schweiß überstehen die Prozedur.

Ist es tatsächlich möglich, dass die Spurensicherung an allen 40 Tatorten verunreinigte Stäbchen verwendete? Wenn ja, welche Beweiskraft haben DNA-Spuren dann überhaupt? Das LKA in Stuttgart teilte mit, man habe mehrere hundert unbenutzte Wattestäbchen auf eine Kontaminierung untersucht. Ohne Ergebnis. Laut "Bild" und "Stern" kommen die Stäbchen von einer Firma aus Bayern. Die Mitarbeiterinnen haben jetzt Speichelproben abgegeben.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.