Zukunft des Arbeitens nach Corona: Kommt die Viertagewoche?

Zwischen dem Licht am Ende des Corona-Tunnels und den bedrohlichen Schatten des Ukraine-Krieges sollte dieser Tag der Arbeit am Sonntag, den 1. Mai, nicht nur Verschnauf-, sondern auch Denkpause sein.
In welche Richtung wird sich die Berufswelt in Zukunft entwickeln? Wie stark können wir das beeinflussen? Das sind so bange wie offene Fragen, sicher ist nur, dass die Veränderungen gewaltig sein werden.
Einen Vorgeschmack gibt es gerade in den Büros, die sich nach einem durch die Pandemie erzwungenen Homeoffice-Großversuch wieder füllen. Aber nur langsam, denn viele Beschäftigte wollen weiterhin zumindest teils von zu Hause aus arbeiten. Weil in etlichen Bereichen der Wirtschaft Fachkräftemangel herrscht, können sich Firmen den Wünschen des Personals nach mehr Flexibilität gar nicht mehr widersetzen.
Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich?
In den USA haben Millionen Menschen ihre Jobs gekündigt und sich neue gesucht, die bessere Bezahlung oder mehr Erfüllung versprechen. Hierzulande glauben manche, dass jetzt die Beschäftigten am Drücker sind und sogar eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich durchsetzbar wäre.
Doch eine solche Euphorie ist kurzsichtig. Schon die Auswirkungen von Corona sind extrem vielschichtig. Homeoffice ist für diejenigen, die in Pflege, Produktion, Bau oder Handel arbeiten, kein Thema.
Corona-Krise bedeutete etwa für Klinik-Personal Arbeit am Anschlag
In weiten Teilen der Wirtschaft haben nur Kurzarbeit und andere staatlich geförderte Stützungsmaßnahmen Massenarbeitslosigkeit verhindert. In Kliniken oder im Lebensmittelhandel dagegen arbeitete das Personal am Anschlag. Viele Selbstständige mussten während des pandemiebedingten gesellschaftlichen Stillstands aufgeben. Unternehmen in Gastronomie oder Tourismus kündigten Köchen oder Kellnern. Jetzt, wo es wieder aufwärts ginge, fehlen sie, denn viele haben inzwischen neue Jobs bekommen.
Noch ist Corona nicht besiegt, da kommen die nächsten Krisen auf uns zu. Wie sich der Ukraine-Krieg auswirken wird, ist erst in Ansätzen absehbar. Wenn russisches Gas immer teurer wird oder gar nicht mehr fließt, könnten wichtige Branchen wie die chemische Industrie ganz schnell in die Knie gehen. Internationale Instabilität und Inflation bergen gerade für den Exportweltmeister Deutschland gewaltige Risiken.
Der rasend voranschreitende digitale und technische Fortschritt hat das Potenzial, ganze Branchen aus den Angeln zu heben. Generell kann Künstliche Intelligenz viele, selbst höher qualifizierte Arbeitsplätze überflüssig machen.
Wo Risiken drohen, bieten sich auch Chancen. Maschinen könnten dröge oder körperlich harte Tätigkeiten übernehmen, die Menschen entlasten und unterstützen, Jobs profitabler und erfüllender machen.
Die Arbeit wird nicht ausgehen, doch vieles wird sich verschieben. In der Pflege oder im Bereich der Erneuerbaren Energien könnten Menschen mit aussterbenden Berufen neue Aufgaben finden, doch dafür bedarf es großer Anstrengungen bei Um- und Weiterbildung. Gegen die Herausforderungen für die Arbeitswelt werden sich die Pandemie-Folgen wie ein Klacks ausnehmen.
Prekäre Jobs versus Homeoffice-Adel: Gift für unsere Demokratie
Es ist nicht die Zeit, in der Unternehmen und Beschäftigte ihre Kräfte messen sollten. Vielmehr muss jetzt zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik die Debatte beginnen, wie erreicht werden kann, dass künftig möglichst viele Menschen anständig bezahlte und befriedigende Arbeitsplätze haben. Ob diese von zu Hause aus erledigt werden können, im Büro, in der Fabrik oder im Geschäft, ist da nachrangig.
Denn eine fortschreitende Spaltung der Gesellschaft in einen privilegierten, hoch bezahlten Homeoffice-Adel und ein wachsendes Heer von Menschen in prekären Jobs, die sich immer stärker abgehängt fühlen, wäre Gift für unsere Demokratie.