Zölibat, Ökumene: Die zehn Sünden der Kirche

Die Haltung zu Kondomen und Co. ist nicht die einzige Baustelle, auf der sich die katholische Kirche herumtreiben muss – die AZ listet die zehn ärgerlichsten Sünden auf.
Die Lockerung des Kondomverbotes durch Papst Benedikt XVI. lenkt den Blick auf andere Problemfelder, mit denen sich die Kirche herumschlagen muss und auf denen auch Katholiken eine Liberalisierung oder klarere Linie erwarten. Die AZ listet die zehn wichtigsten auf:
1. Missbrauch Seit Anfang dieses Jahres die ersten Missbrauchsfälle im Berliner Jesuiten-Kolleg bekannt geworden sind, ist die katholische Kirche in eine ihrer bisher schlimmsten Krisen geraten. Nach und nach wurden immer mehr Fälle bekannt, in denen Geistliche ihre Schützlinge missbraucht haben. Viele Fälle wurden jahrzehntelang totgeschwiegen. Das hat jetzt auch der frisch ernannte Münchner Kardinal Reinhard Marx eingeräumt: Es ist nicht auszuschließen, dass „sexuelle Übergriffe in der Kirche vertuscht wurden“. Noch bis in die 80er Jahre hinein habe man in der Kirche angenommen, ein Täter könne wieder als Seelsorger arbeiten, wenn er Buße tue und sich an Auflagen für die Lebensführung halte. Heute wisse man, dass dies nicht möglich ist. Der Kardinal: „Was die Kirche tun kann, ist eine Wiedergutmachung im einzelnen Fall.“
2. Verbot von Verhütungsmitteln Der Katechismus der katholischen Kirche unterscheidet zwischen Empfängnisregelung und Empfängnisverhütung. Zur Empfängnisregelung werden die zeitweise Enthaltsamkeit sowie die auf Selbstbeobachtung und der Wahl von unfruchtbaren Perioden (Eisprungrechner) beruhenden Methoden gerechnet, die im Falle von guten Gründen angewendet werden dürften. Diese würden der Natur des Menschen entsprechen.
Als widernatürlich und verwerflich wird hingegen die direkte Empfängnisverhütung angesehen. Darunter wird jede Handlung verstanden, „die entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.“ Zu Deutsch: Kondome, Anti-Baby-Pille, Spirale etc. werden von der katholischen Kirche verteufelt.
3. Verteufelung der Homosexualität Schwule und lesbische Paare können sich längst standesamtlich trauen lassen, es gibt seit einigen Jahren eingetragene Partnerschaften – aber immer ohne den Segen der Kirche.
Homosexualität „bleibt etwas, das gegen das Wesen dessen steht, was Gott ursprünglich gewollt hat“, wie es Benedikt gerade formuliert hat. Gläubige Kritiker halten dagegen: Gott hätte bestimmt keine homosexuellen Menschen erschaffen, wenn er es nicht gewollt hätte.
4. Strikte Sexualmoral: Sie basiert auf dem 6. Gebot: „Du sollst nicht ehebrechen!“ Unter Keuschheit wird danach der bewusste, freiwillige Verzicht auf sexuelle Handlungen bei unverheirateten Partnern verstanden. Bei Ehepaaren sollte Sex im wesentlichen der Fortpflanzung dienen.
5. Beharren auf dem Zölibat: Die Ehelosigkeit von Priestern und Ordensleuten ist eines der umstrittensten Dogmen der katholischen Kirche. Zwar gibt es Bibelstellen, die der Ehelosigkeit ein Lob singen, kirchenrechtlich zur Bedingung für das Priesteramt wurde der Zölibat aber erst im 11. Jahrhundert gemacht. Seine Befürworter argumentieren, dass es für den priesterlichen Dienst von großem Vorteil sei, „durch keine Gatten- oder Vaterpflichten gebunden zu sein und frei von irdischen Sorgen über die Zeit verfügen zu können.“ Doch der Widerstand wächst – nicht zuletzt, weil das Keuschheitsgelübde für die sexuellen Übergriffe vieler Geistlicher verantwortlich gemacht wird. Und auch die Zahl der Priester, die sich nicht an den Zölibat halten, steigt – allein schon erkennbar auf der Internetseite www.zoelibat-frauen.de, auf der sich Frauen zusammen geschlossen haben, die eine heimliche Beziehung zu einem katholischen Priester leben oder gelebt haben; die Priesterkinder allein erziehen oder die mit einem Priester verheiratet sind oder verheiratet waren.
6. Ablehnung von Priesterinnen: Bei der Frage, ob Frauen in der katholischen Kirche zu Priesterinnen geweiht werden können, ist die Haltung des Vatikans unverrückbar. Gerade hat Papst Benedikt XVI. wieder bekräftigt, dass Frauen nicht zu Priestern geweiht werden dürfen. Jesus Christus habe der Kirche mit den 12 männlichen Aposteln eine unverrückbare Gestalt gegeben. Dies sei keine Diskriminierung, da Priestertum nicht Herrschaft, sondern Dienst sei.
7. Mangelnde Attraktivität: Die Zahl der Katholiken in Deutschland ist rückläufig, im Jahr 2009 waren 24,9 Millionen Menschen Mitglied der römisch-katholischen Kirche (2008: 25,1 Mio). Die Zahl der Kirchenaustritte stieg von 121155 im Jahr 2008 auf 123681. Der Erfurter Bischof Joachim Wanke l warnt: „Die bewusste Entscheidung, nicht mehr der Kirche anzugehören, ist keine Bagatelle.“
8. Starrsinn bei der Ökumene: Bei dem angestrebten Miteinander der beiden großen christlichen Kirchen gibt es eine kuriose Situation: Während sich die Oberen nicht auf ein gemeines Abendmahl einigen können, schaut’s an der Basis ganz anders aus: Dort machen katholische und evangelische Gemeinden längst gemeinsame Sache, feiern zusammen Gottesdienste (mit – pssst, nicht weitersagen – mit gemeinsamem Abendmahl), richten zusammen Veranstaltungen aus.
9. Zusammenschluss von Pfarreien: Das sorgt in den katholischen Gemeinden für ziemlichen Unmut: Der Zusammenschluss von zwei bis drei Pfarreien zu jeweils einem Pfarrverband, für den dann nur noch ein Pfarrer zuständig ist. Grund ist Priestermangel.
10. Unfehlbarkeit des Papstes: Sie ist auch eine Erfindung der Neuzeit, die eigentlich keine biblischen Wurzeln kennt. Seit 1870 gilt der Papst in Glaubens- und Sittenfragen als unfehlbar – in den Augen vieler eine höchst fragwürdige Zuordnung einer überirdischen Eigenschaft für einen Menschen. Michael Heinrich