Zika-Virus: Im Krieg gegen eine Mücke
Rio de Janeiro - Brasilien wähnt sich im Krieg. "Wir werden diesen Krieg gewinnen", verspricht Staatspräsidentin Dilma Rousseff, die schwer unter Druck steht, nur knapp zehn Prozent sind mit ihrer Amtsführung zufrieden. In den Nachrichten werden immer wieder Bilder des Feindes gezeigt. Er ist vier Millimeter groß und hat kleine weiße Punkte. Und operiert auf rund 81 Prozent der Landesfläche, auf 6,9 Millionen Quadratkilometern. Das macht den Kampf gegen ihn so schwer.
"Kammerjäger" in drei Millionen Häusern
Die Rede ist von der Gelbfiebermücke Aedes aegypti, die das Zika-Virus dramatisch schnell verbreitet. Und die ganze Welt nun beschäftigt. Die Regierung hat die Gesundheitsbehörden nun ermächtigt, notfalls mit Gewalt in Häuser einzudringen, um Eiablageplätze der Moskitos zu eliminieren. Nach dem Karneval - am 13. Februar - sollen zudem an einem landesweiten "Großkampftag" 220 000 Soldaten im Einsatz sein, bis zu drei Millionen Häuser besucht und moskitofrei gemacht werden.
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Brasilien ist das Land, in dem sich der Kampf entscheiden wird. Hier nahm der massenhafte Ausbruch des seit der Entdeckung 1947 im Zikawald Ugandas nur sporadisch aufgetauchten Virus seinen Ausgang. Und, was bislang nur als sehr wahrscheinlich galt wurde bestätigt: In den USA ist erstmals eine Infektion mit Zika durch ungeschützten Sex nachgewiesen worden, übertragen von jemanden, der sich zuvor in Lateinamerika infiziert hatte.
Schädelfehlbildungen durch Zika-Virus
Das neueste Bulletin des brasilianischen Gesundheitsministeriums vom 2. Februar liest sich besorgniserregend. Die Zahl bewiesener Schädelfehlbildungen seit Oktober ist von 270 auf 404 gestiegen - in 17 Fällen konnte nachgewiesen werden, dass sich schwangere Frauen zuvor mit dem Zika-Virus infiziert hatten. In der Vorwoche waren es erst sechs.
Insgesamt werden derzeit in Brasilien 3670 Fälle mit einem Verdacht auf Schädelfehlbildung (Mikrozephalie) untersucht. 76 Babys seien schon gestorben. Für Verwirrung und Kritik sorgt aber, dass Brasilien bei der Gesamtzahl der untersuchten Mikrozephalie-Fälle auch die aufführt, die sich nicht bestätigt haben: So vermittelt die Zahl von 4783 (Vorwoche: 4180) den Eindruck, es gebe eine weit höhere Zahl an Schädelfehlbildungen.
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Aber, und das ist das Argument der Behörden, warum es einen Zusammenhang mit Zika geben muss: 2014 wurden nur 147 bestätigte Mikrozephalie-Fälle registriert, seit Oktober fast dreimal so viele.
Und: Die mit Zika in Verbindung gebrachten Fälle sollen sehr starke Schädelfehlbildungen, schwere geistige Behinderungen aufweisen. Der frühere Gesundheitsminister José Gomes Temporão unterstützt eine Initiative, die beim Obersten Gerichtshof eine Legalisierung von Abtreibungen im Falle einer per Ultraschall festgestellten, wahrscheinlichen Mikrozephalie des Embryonen erreichen will. Nach Angaben mehrerer Ärzte fragen besser situierte Frauen, die sich mit Zika infiziert haben, verstärkt nach anonymen Abtreibungen nach - obwohl noch keine Klarheit über eine Schädelfehlbildung besteht.
Virus auch Thema bei Olympia
Die vielen Spekulationen schüren Unsicherheit - auch rund um die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Bürgermeister Eduardo Paes verweist darauf, dass es im brasilianischen Winter eine andere Lage gibt: "Im Monat August gibt es keine Verbreitung dieses Moskitos." Und, was oft vergessen wird: auch in den letzten Jahren hatte Brasilien solche Probleme, damals verbreitete sich das Dengue-Fieber. Im Alltag geben sich die Menschen daher gelassen - und feiern erstmal Karneval.
Ein Dilemma ist die schwere Zika-Diagnosefähigkeit; viele Menschen merken eine Infektion nicht. Symptome sind leichtes Fieber, rote Augen, Gelenkschmerzen und Hautrötungen - wenn sie überhaupt auftreten. Die Regierung will in den nächsten Tagen mit der Produktion eines neuen Schnelltests beginnen. Sogar an den Stränden in Rio wird nun der Anti-Zika-Kampf geführt. Badegäste bekommen Broschüren mit dem Slogan "Zehn Minuten, die Leben retten." Mit Tipps, wie Eiablageplätze verhindert und sich vor den Moskitos geschützt werden kann. Das ganze Land soll mitmachen, beim Kampf gegen Zika. Das Hauptproblem ist die schnelle Vermehrung der Aedes-aegypti-Moskitos - vor zehn Jahren war sie erst auf rund 20 Prozent der Landesfläche verbreitet. Auch ein Bote des Klimawandels?
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Es wird geraten, Eiablageplätze, stehende Gewässer aller Art, vor Mücken zu schützen oder zu vermeiden: Pools im Garten sollen abgedeckt werden, Autoreifen nicht mit Wasser in Kontakt kommen, da selbst in den feuchten Ritzen der Reifen die Moskitos ihre Eier ablegen.
Da bisher der "Krieg" nicht zu gewinnen scheint, wird nun sogar die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) eingeschaltet. Mehrere Staaten Lateinamerikas sind an einem Programm für Nukleartechnik interessiert, das eine neue Bestrahlungsmethode entwickelt hat. Dabei werden Millionen männlicher Moskitos gezüchtet, bestrahlt und dadurch unfruchtbar. Die Tiere werden dann freigelassen, um sich mit Weibchen zu paaren. Diese legen zwar Eier, es schlüpft aber kein Moskito.
Bisher ist sehr wenig über die tatsächliche Zika-Gefahr bekannt, die die Weltgesundheitsorganisation zum Äußersten hat greifen lassen: Die Ausrufung des globalen Gesundheitsnotstandes. Neben verschärften Schutzmaßnahmen in den bisher betroffenen 26 Ländern kann das helfen, um Forschungsanstrengungen und die Entwicklung eines Impfstoffes zu beschleunigen - die Mittel zur Zika-Forschung werden gerade weltweit erhöht. Es ist ein Diagnose- und Forschungswettlauf mit der Zeit.
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