Zahlenjongleur Donald Trump stößt Puerto Rico vor den Kopf

Auf der verwüsteten Karibikinsel will sich der US-Präsident als Krisenmanager präsentieren. In Erinnerung dürften aber geschmacklose Rechenbeispiele und unpassende Kommentare bleiben. Selbst in einem Katastrophengebiet ist Trump vor allem mit sich selbst beschäftigt.
Bernd Lackner |
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Zwei Wochen ließ sich Donald Trump Zeit, um sich ein Bild der Schäden in Puerto Rico zu machen.
Evan Vucci/AP/dpa Zwei Wochen ließ sich Donald Trump Zeit, um sich ein Bild der Schäden in Puerto Rico zu machen.

San Juan - Fast zwei Wochen hat sich US-Präsident Donald Trump Zeit gelassen, bis er in dem von Hurrikan gipfelt in einem Treffen mit Hurrikanopfern in einer Kapelle, wo Trump wie ein Basketballspieler Pakete mit Küchenrolle in die Menge wirft. "Hier ist so viel Liebe im Raum", schwärmt er.

Die meisten Puerto-Ricaner dürften sich von der fünfstündigen Stippvisite ihres Präsidenten eher vor den Kopf gestoßen fühlen. Gleich nach seiner Ankunft brüskiert er die Insulaner mit einem geschmacklosen Rechenbeispiel. "Wenn man sich eine echte Katastrophe wie "Katrina" anschaut mit Aberhunderten von Toten, und sieht, was hier bei dem Sturm passiert ist mit 16 Toten, könnt ihr sehr stolz sein", sagt er verblüfften Militärs, Rettungskräften und Politikern in einem Hangar am Militärflughafen von San Juan.

Kurz nach Trumps Abflug teilt Gouverneur Ricardo Rosselló mit, die Zahl der Todesopfer sei auf mindestens 34 gestiegen. Weite Teile der Karibikinsel sind noch immer von der Außenwelt abgeschnitten. Information gelangen nur sehr langsam zu den Verantwortlichen in der Hauptstadt. Experten hatten schon zuvor damit gerechnet, dass die Opferzahl noch steigen dürfte.

Puerto Rico hängt am Tropf

Eigentlich sollte Trump sich bei dem Treffen über die Situation vor Ort, den Stand der Aufräumarbeiten und die Probleme bei den Hilfslieferungen informieren lassen, aber der Präsident erklärt den Einsatzkräften lieber selbst, wie er die Lage sieht. "Wir haben viele großartige Menschen hier, die so hart arbeiten. Wir können sehr stolz darauf sein, was wir in Puerto Rico leisten."

Noch immer sind die meisten Einwohner ohne Strom, viele haben kein fließendes Wasser. Es fehlt an Lebensmitteln und Treibstoff. Zwar sind mittlerweile Hilfslieferungen vom Festland eingetroffen und 
12 000 Bundesbeamte in Puerto Rico im Einsatz. Aufgrund fehlender Kommunikation und zerstörter Infrastruktur erreichen die Transporte allerdings häufig nicht ihr Ziel.

"Das ist das Schlimmste, was ich je gesehen habe", sagt Generalleutnant Jeffrey Buchanan, der den Einsatz der Streitkräfte in Puerto Rico leitet. "Die Straßen auf dem Land sind nicht geräumt und wir kommen nur langsam voran. Wir müssen alle Straßen freimachen, um die Lieferungen zu den Menschen zu bringen, die verzweifelt auf sie warten."

Viele Puerto-Ricaner fühlen sich von der Regierung in Washington allein gelassen. "Ich bin mir nicht sicher, ob Trump weiß, dass Puerto-Ricaner auch US-Bürger sind", sagt die frühere US-Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.

Dabei stammen viele der erfolgreichsten Musiker und Sportler des Landes aus Puerto Rico. Der Sänger Luis Fonsi landete mit "Despacito" kürzlich einen Welthit, das Video zu dem Song wurde im Viertel La Perla gefilmt. Jetzt kehrt Fonsi an den Drehort zurück, um Wasser und Lebensmittel zu verteilen. "La Perla hat dem Lied Leben und Farbe gegeben. Ich fühle mich verpflichtet zu helfen, weil sie mich hier so gut behandelt haben", sagt Fonsi, der mit seinen Kollegen Ricky Martin, Nicky Jam und Gloria Estefan nach Puerto Rico gekommen ist.

Trump bemüht erneut "Fake News"

Trotz der Entsendung tausender Soldaten ist der Einsatz der US-Regierung in Puerto Rico nach Einschätzung der Brookings Institution noch immer recht zurückhaltend. "Wenn so viele US-Bürger leiden, sollten wir weitaus massivere Anstrengungen in Erwägung ziehen", schreibt Analyst Michael O'Hanlon. "Die Trump-Regierung muss einsehen, dass die derzeitige Geschwindigkeit und der Umfang des Hilfseinsatzes den Bedürfnissen nicht gerecht wird."

Trump will sich in Puerto Rico als Krisenmanager präsentieren. Anstatt aber zuzuhören und Trost zu spenden, macht er den Trip zur Trump-Show. Im Briefing lobt er Gouverneur Rosselló dafür, dass dieser gut über seine Regierung gesprochen hat. Dann fordert er Puerto Ricos Kongressabgeordnete Jenniffer González dazu auf, etwas Nettes über ihn zu sagen. "Ich, ich, ich", kommentiert CNN-Reporter Chris Cillizza die bizarre Situation.

Mit der Berichterstattung über seinen denkwürdigen Ausflug ins Katastrophengebiet ist Trump überhaupt nicht zufrieden. "Wow, so viele Fake-News-Geschichten heute", schreibt der Präsident am Mittwoch auf Twitter. "Egal was ich tue oder sage, sie schreiben oder sagen nicht die Wahrheit. Die Fake-News-Medien sind außer Kontrolle."

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Angesichts tausendfachen Leids findet Trump einfach nicht die richtigen Worte. "Das ist eine tolle Reise. Euer Wetter ist so gut wie nirgendwo sonst, aber hin und wieder erwischt es euch. Jetzt seid ihr wirklich hart getroffen worden", sagt Trump. Auf einer Insel, wo die Menschen durch ein Unwetter gerade alles verloren haben.

Und auch einen Spruch über das liebe Geld kann er sich nicht verkneifen. "Puerto Rico, es tut mir leid, euch das sagen zu müssen, aber ihr habt unser Budget ein bisschen durcheinandergebracht", sagt er mit Blick auf die Ausgaben für Rettungseinsätze und die Aufräumarbeiten. "Aber das geht schon in Ordnung."

San Juans Bürgermeisterin Carmen Yulín Cruz hatte Trump zuletzt in einem verzweifelten Hilferuf um mehr Unterstützung gebeten. "Ich glaube, sein Team versteht jetzt und sie haben alle Informationen, die sie brauchen", sagt sie nach dem Besuch. "Ich hoffe nur, dass der Präsident aufhört, Kommentare von sich zu geben, die die Menschen in Puerto Rico wirklich verletzen. Anstelle eines Commander in Chief ist er eine Art Miscommunicator in Chief geworden."

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