Wie in die Welle: Schüler in Österreich spielen in der Pause NS-Zeit nach

In der Pause spielen mehrere Schüler die NS-Zeit nach, sie schlüpfen in die Rollen von SS-Männern und Juden. Das sei harmlos gewesen, sagen die Jugendlichen - doch nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Ein Anwalt erhebt Vorwürfe gegen die Lehrer.
AZ/dpa |
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Szene aus dem Film "Die Welle": Rainer Wenger (Jürgen Vogel) steht vor einer Gruppe Schüler.
Constantin Filmverleih Szene aus dem Film "Die Welle": Rainer Wenger (Jürgen Vogel) steht vor einer Gruppe Schüler.

In Österreich haben Schüler, inspiriert durch das Buch und den Film "Die Welle", während den Pausen die NS-Zeit nachgespielt. Die gesamte Lehrerschaft soll davon tagelang nichts mitbekommen haben. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Wien - An einer österreichischen Schule sollen sich im Rahmen eines Spiels während der Pausen erschreckende Szenen abgespielt haben. Einige Schüler grüßen einen "Führer" mit einer dem Hitler-Gruß ähnlichen Handbewegung, andere werden als "Judensau" beschimpft und in einem Lagerraum weggesperrt. Von all dem haben die Lehrkräfte anscheinend nichts mitbekommen.

Inspiriert durch das Buch und den Film "Die Welle"

Grund für dieses "Spiel" soll das Buch "Die Welle" gewesen sein. Eine vierte Klasse der Neuen Mittelschule Zurndorf im Burgenland hatte das Werk im Deutschunterricht behandelt, in dem ein Lehrer seinen Schülern zeigen will, wie leicht man sich von Nationalsozialismus beeinflussen lassen kann. Durch diesen Grundgedanken inspiriert sollen die Schüler in Rollen von SS-Männer und Juden geschlüpft sein. Ein Schüler habe dabei sogar die Rolle des Führers übernommen.

Gleich wie im Buch gerät auch das "Spiel" außer Kontrolle. Wie die österreichische Zeitung "Kurier" berichtet, wurden Schüler, die den "Führer" nicht standesgemäß begrüßten, drangsaliert und zur Bestrafung in den Mattenraum hinter dem Gymnastikraum, den sogenannten "Gaskammern", gesperrt.

Lehrer bekamen von dem Spiel tagelang nichts mit

Die Lehrer hatten von dem Spiel der Jugendlichen dem Bericht des "Kurier" zufolge erst nach mehreren Tagen etwas mitbekommen. Offenbar hatte während der Pausen keine Lehrkraft die Aufsicht geführt. Der angebliche Anführer sagte der Zeitung, es sei alles nur Spaß gewesen. "Es war ein großer Blödsinn. Keiner hat das Ganze ernst genommen." Die Lehrer verlangten schriftliche Erklärungen von den Schülern und schalteten dann die Polizei ein.

Nach Angaben der Schüler sollen sie mit dem Buch und dem Film "Die Welle" alleine gelassen worden sein. Der "Kurier" zitiert eine Lehrerin damit, es sei geplant gewesen, Unklarheiten bei den Schülern später zu behandeln. Der Anwalt Andreas Schweitzer, der einen der beschuldigten Jugendlichen vertritt, sprach gegenüber der Deutschen Presseagentur von einem "pädagogischen Supergau", wenn die Lehrer das Thema Manipulation nicht vor dem Lesen ausführlich aufgriffen. "Ich sehe hier ein Problem der Lehrer, das jetzt auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird", sagte er.

Ob den Schülern eine Strafe droht, ist noch unklar

Staatsanwalt Fuchs bestätigte, dass das zuständige Landesamt für Verfassungsschutz eingeschaltet gewesen sei. Ob die Schüler angeklagt oder die Vorwürfe fallengelassen werden, werde in den nächsten Wochen entschieden, sagte Fuchs.

Welche Strafe den Schülern drohe, könne erst gesagt werden, wenn klar sei, welche Tatbestände in Frage kämen. "Bei so einem heiklen und sensiblen Thema müssen die Staatsanwälte ermitteln", sagte Schweitzer. "Aber so weit ich es beurteilen kann, werden sie eine Entscheidung treffen, die nicht zum Nachteil der Schüler gereichen wird." Denkbar sei etwa die Auflage, das Thema gründlich aufzuarbeiten, womöglich verbunden mit einem gemeinnützigen Einsatz.

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