"Wenn ich Bahnhof sage, habe ich die Nase voll": Steht eine Trennung bevor? Was nun wichtig ist

München - Man hat sich auseinandergelebt oder es passt einfach nicht mehr – so ist es im vergangenen Jahr fast 2000 Paaren in München gegangen. Endstation Scheidung. Gerade Weihnachten kann für Menschen in unglücklichen Beziehungen zur Herausforderung werden. Trennungscoachin Annette Oschmann aus Essen erklärt, wie man mit kleinen Vereinbarungen gut durch diese Zeit kommt und warum eine Trennung auf Zeit manchmal hilfreich sein kann – manchmal aber auch einfach ein Hinauszögern.
AZ: Frau Oschmann, steht die Trennung unweigerlich bevor, wenn man sich aktiv Hilfe wie etwa bei Ihnen als Trennungscoachin holt?
Annette Oschmann: Keinesfalls, es kann auch einen Neustart geben, aber unter veränderten Vorzeichen. Ich bin mit Rat sehr zurückhaltend, es muss die Entscheidung des Menschen sein. Das kann ich nicht vorwegnehmen.
Was halten Sie von Trennungen auf Zeit oder Probe? Sinnvoll oder einfach ein weiches Ende der Liebe?
Das kann beides sein. Sich über einen bestimmten Zeitraum getrennte Wohnungen zu nehmen, kann sehr gut sein, um festzustellen: Wir haben uns verändert, können aber doch miteinander, oder wir vermissen uns sehr. Die Trennung auf Probe kann aber auch bedeuten, dass man es sich einfach nicht auszusprechen traut. Vielen meiner Klienten fehlen die Worte für die Trennung. Zu sich zu stehen und zu sagen, ich will mich trennen, ist wahnsinnig schwierig. Eine Trennung auf Probe kann das verschleiern oder verzögern. Mir ist es in einem Trennungsgespräch wichtig, keine Vorwürfe zu formulieren, damit man nicht zu viel Kränkung kreiert.

Gibt es gute Trennungen?
Schlechte Gefühle hat man dabei immer. Die Kunst ist, damit gut umzugehen. Auch wenn ich eine Trennung im Guten hinbekomme, bin ich an irgendeiner Stelle traurig, vielleicht wütend, zornig oder was auch immer. Gefühle kommen und gehen. Wenn ich gelernt habe, sie auszuhalten, werden sie kleiner. Ich kann trotz allem eine gute Trennung hinbekommen, wenn ich für mich geklärt habe, was meine Beweggründe sind und ich den anderen weiterhin wertschätzend behandle.
Expertin sagt, was Sie nun dringend lassen sollten
Was raten Sie Menschen, die verlassen werden?
Sich den schlechten Gefühlen zu stellen, ist auch hier wichtig. Dann Ursachenforschung betreiben, ohne sich Schuld zuzuweisen. Und der aktive Blick nach vorne: weg von der Vergangenheit, loslassen und nach vorne schauen. Für Verlassene ist es emotional sehr hart, aber ich kenne auch solche, die später sagen: "Das war das Beste, was mir passieren konnte".
Von Kommunikation über Whatsapp bei Getrennten raten Sie recht strikt ab. Warum?
Whatsapp ist total verkürzt. Die Gefahr von Missverständnissen ist sehr groß. Am besten ist das persönliche Gespräch. Whatsapp für Orga-Sachen wie Übergaben, okay, aber bitte nicht für Auseinandersetzungen.
Trennung an Weihnachten: "Wenn ich Bahnhof sage, habe ich die Nase voll"
Nun steht Weihnachten an – das heißt: viel Zeit zusammen. Wie stehen das Paare in festgefahrenen Beziehungen durch?
Weihnachtszeit ist Trennungszeit, leider. Nach Weihnachten und im Januar gehen die Zahlen und Anfragen hoch, weil die Partner viel aufeinandersitzen, wenig Bewegung haben – dann staut sich vieles auf.
Und nun?
Meine Tipps: ein Gespräch zu zweit führen, wie man es hinkriegen kann. Kann man zum Beispiel vereinbaren, dass jeder mal eine Stunde Auszeit bekommt? Auch eine gesunde Lebensführung hilft, etwa jeden Tag ein bisschen rauszugehen. Ein Spaziergang hat den Vorteil, dass man Emotionen und Hormone abbaut. Vielleicht lässt sich auch ein Codewort vereinbaren, etwa: Wenn ich "Bahnhof" sage, habe ich die Nase voll und ziehe mich zurück.
Annette Oschmann: "Du darfst gehen. Wege aus festgefahrenen Beziehungen"; Topicus; 11,99 Euro