Wenn der Riese redet - Das Problem mit Google

Weltkonzern Google hat ein Problem: Diskussionen um Datenschutz und Monopolisten-Macht gefährden sein Image. So bat er erstmals zum Gespräch über sein gigantisches Buchsuche-Projekt
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Es gibt ein Problem mit Google
dpa Es gibt ein Problem mit Google

Weltkonzern Google hat ein Problem: Diskussionen um Datenschutz und Monopolisten-Macht gefährden sein Image. So bat er erstmals zum Gespräch über sein gigantisches Buchsuche-Projekt

Der Riese ruft und demütig kommt das Fußvolk. Google, längst nicht mehr nur eine Suchmaschine im Internet,sondern ein Konzern mit globalem Machtanspruch, lud zum Round Table-Gespräch in seine Münchner Dependance in allerteuerster Altstadtlage. Das ist schon deshalb ungewöhnlich, weil Google normalerweise nicht viel darüber redet, was es tut und warum.

Doch die Konkurrenz aus Microsoft und Yahoo schmiedet sich zusammen, um zum Titanenkampf um die Vorherrschaft im Web zu blasen (AZ berichtete). Aber auch sonst hat der Riese offenbar Grund, vorsichtiger zu werden. Jahrelang war Google für die Netzgemeinde der große Sympathieträger: Werbefrei (zumindest auf der Startseite), schneller, besser als die anderen und mit dem scheinbar antikommerziellen Mantra ausgestattet, man wolle das Wissen der Welt allen Menschen zugänglich machen.

Dieses „Wir-sind-die-Guten“-Image bröckelt inzwischen: Es gibt zu viele Unklarheiten über den Umgang mit den Nutzerdaten, die Sammelwut der digitalen Archive, das Aufsaugen von unbequemen Mitbewerbern, die unheimliche, ständig größer werdende Macht des unangreifbaren Monopolisten – Google ist dabei, auf die Beliebtheitswerte der alten Netzkrake Microsoft abzusinken. Für ein Unternehmen, das mehr als andere vom Vertrauen seiner Nutzer lebt, kann das langfristig existenzbedrohend werden.

Deshalb: Reden wir doch mal besser miteinander, bevor es zu spät ist. Aktueller Anlass: die Diskussion um die „Google Buchsuche“. Ein „Wahnsinns-Projekt“, schwärmt Stefan Keuchel, Deutschland-Sprecher des Konzerns. Google wolle nämlich auch das Wissen der Welt, „das in Büchern versteckt ist“, allen Menschen zugänglich machen. Am liebsten würde Google wohl alle Bücher ohne Nachfrage einscannen und seinen digitalen Indizes hinzufügen – und teilweise versuchte der Konzern auch, es einfach so zu machen.

Doch der Widerstand wächst. Zum einen fürchten Autoren und Verlage, ihre Existenzgrundlage zu verlieren, zum anderen ist vielen nicht wohl bei dem Gedanken, dass auch noch das gedruckte Wort weltweit von Google kontrolliert wird.

„Selbstverständlich respektieren wir das Urheberrecht“, sagt Annabella Weisl, Google-Managerin Buchsuche, doch es klingt wie ein Aufsager. Sie berichtet, dass Google inzwischen international zehn Millionen Bücher eingescannt habe. Dass 1,8 Millionen aktuelle Bücher aus dem „Partnerprogramm“ mit kooperierenden Verlagen stammen und zu deren Schutz im Netz nicht vollständig sichtbar seien. Dass in Zusammenarbeit mit 30 großen Bibliotheken ein weiteres Programm laufe, bei dem „gemeinfreie“, also ältere und somit urheberrechtsfreie Werke digitalisiert werden, die dann komplett und kostenlos im Netz stehen.

Dies sei überhaupt das wichtigste Ziel: „Verwaiste“, also in den Archiven versunkene und im Handel nicht mehr erhältliche Bücher zu retten und zum Wohle der Werke, der Autoren und der Leser wieder zugänglich zu machen – ein neues Google-Mantra, das an diesem Tag mindestens ein Dutzend Mal wiederholt wird.

Und dann gibt es da noch die Sache mit Amerika: Dort scannt Google nach einem aufsehenerregenden Vergleich vor Gericht mit den Autoren auch einen Großteil der aktuellen Bücher ein – was nach europäischem Recht so nicht möglich wäre. „Das wird bei der politischen Diskussion hier meist gar nicht verstanden“, so Annette Kroeber-Riel, Berliner Lobbyistin von Google, und es lag nicht wenig Vorwurf in ihrer Stimme. Google werde jedenfalls mit „IP-Blocking“ verhindern, dass nach US-Recht gescannte Bücher auch von EU-Nutzern aus dem Netz gefischt werden. Auf den Einwand, die technische Sperre sei kinderleicht zu umgehen, antwortete die Lobbyistin: „Ja, das kann durchaus sein...“ Sprecher Keuchel schob schnell hinterher, dass „wir bemüht sind, das noch besser zu machen“.

Diese Sorgen muss sich offenbar die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) nicht machen. Als Konzern-Partner im Bibliotheks-Programm profitiert sie von Googles Streben nach allem: Der urheberrechtsfreie Gesamtbestand seit dem 17. Jahrhundert – mehr als eine Million Bände – ist freigegeben zum Google-Scan. Pro Buch koste das normalerweise bis zu 70 Euro, so Klaus Ceynowa, stellvertretender BSB-Direktor: „Wir sollten uns davor hüten, solche Kosten dem Steuerzahler zuzumuten.“ Dann sprach er schon wie einer von Google: „Zu Vertragsdetails keine Angaben“.

Und es gibt sogar Autoren, die sich mit Freude dem Riesen in den Rachen werfen: Florian Felix Weyh erklärte, Bücher würden heutzutage ohnehin schon nach Monaten von den Händlern verramscht und verschwänden völlig und für immer vom Markt – „Wo ist da die behauptete Enteignung, wenn diese Bücher eingescannt werden und so wieder für das Publikum verfügbar sind?“ Da lächelte der Riese.Michael Grill

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