Welterfolg mit einem Schuss Eleganz

Der Mann, der „Stephan Derrick“ war: In über 100 Ländern kannten dieTV-Zuschauer Horst Tappert
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Horst Tappert war ein Weltstar - auf den TV-Schirmen in  mehr als 100 Ländern war "Derrick" zu sehen.
abendzeitung Horst Tappert war ein Weltstar - auf den TV-Schirmen in mehr als 100 Ländern war "Derrick" zu sehen.

MÜNCHEN - Der Mann, der „Stephan Derrick“ war: In über 100 Ländern kannten dieTV-Zuschauer Horst Tappert

Die letzten Jahre wollte er eigentlich nur zwei Dinge: Seine Frau Ursula bei sich haben und seine Ruhe dazu. Keine Empfänge mit Produzenten, Promis oder Filmleuten, keine Händeschütteln mit „Weggefährten“, keine Preisverleihungen mit Standing Ovations. Ganz still ist er nun auch abgetreten. Bereits am Samstag ist der 85-jährige Horst Tappert in einer Münchner Klinik gestorben.

„Bis vor kurzem ging es meinem Mann noch gut, er war voller Zuversicht, sagt seine Frau Ursula zu „Bunte“. „Doch in den letzten Tagen verschlimmerte sich sein Zustand zusehends. Näheres zu seinem Krankheitsverlauf möchte ich nicht sagen. Es ist traurig, aber jetzt hat er seine Ruhe. Er hatte ein erfülltes Leben.“

Seit Jahren war Tappert zuckerkrank, er wurde immer gebrechlicher, hatte oft Schmerzen. Immer wieder hatte sich die Yellowpress „besorgt“ um seine Gesundheit gezeigt. Sein langjähriger TV-Kollege Fritz Wepper hatte vor zwei Jahren gesagt: „Es tut mir weh, ihn so leiden zu sehen“. Tappert hatte damals gemeinsamen Treffen mit Wepper abgesagt, weil es ihm nicht mehr so gut ging.

Er wollte kein Mitleid

Tappert selbst aber war kein Mann, der Mitleid wollte oder sich gar selbst bemitleidete. „Ich will noch einige Zeit da sein. Das ist die Hauptsache“, sagt er in seinem letzten Interview, dass er im Mai zu seinem 85. Geburtstag gab. Auf die Frage, warum er sich so zurückziehe, sagte Tappert: „Mag sein, dass ich mich seltsam anstelle, aber ich schätze die Ruhe. Kontakt mit alten Kollegen pflege ich auch nicht mehr, die meisten sind ohnehin schon tot.“

Der gebürtige Wuppertaler stand jahrelang auf der Bühne, war unter anderem 12 Jahre an den Münchner Kammerspielen. Aber Schiller hin, Brecht her, für die meisten Menschen – und da war Horst Tappert durchaus stolz drauf – war Horst Tappert Stephan Derrick. Der erfolgreichste Kommissar des deutschen Fernsehens und eine weltweit bekannte Kultfigur. Tappert spielte zuvor in Edgar-Wallace–Filmen, 1966 wurde er mit dem Dreiteiler „Die Gentlemen bitten zur Kasse“ bekannt, als Posträuberchef Michael Donegan. 1973 wechselte er die Seiten, Herbert Reinecker schrieb ihm die Figur des „Oberinspektors“.

Im beigen Mantel, mit den unverwechselbaren Tränensäcken, dem stets nachdenklichem Timbre in der Stimme und dem ergebenen Stichwortgeber Harry Klein an seiner Seite, ermittelte er in den Villenviertel Münchens.

Ein Exportschlager in die ganze Welt

Anfangs waren die Zuschauer entsetzt: Denn Reinecker und Produzent Ringelmann hatte die Krimis wie Columbo-Filme erzählt – man kennt den Täter und schaut den Kommissaren dabei zu, wie sie ihm auf die Schliche kommen. Erst als das geändert wurde, entwickelte sich Derrick zu dem, was es war: Ein Freitagsritual für Millionen Deutsche – und bald der Inbegriff deutscher Kultur im Ausland. Hans-Dietrich Genscher gratulierte Tappert zum 85. Geburtstag. Denn auf „Derrick“ wurde er in der ganzen Welt wie auf einen alten Bekannten angesprochen. In mehr als 100 Ländern wurde Derrick ausgestrahlt, auch in China, Japan und Australien. Als erster deutscher Schauspieler hatte Tappert Fanclubs in anderen Ländern. 281 Folgen lang ermittelte er, erst mit deutlich über 70 durfte auch Stephan Derrick in Rente gehen.

„Ich wusste, dass er krank war, aber nicht, dass es so schlimm um ihn stand“, sagt Derrick-Produzent Helmut Ringelmann (82) zur AZ.

„Sein Tod berührt mich sehr. Mit seiner Rolle hat er das Bild des sympathischen Deutschen im Ausland nachhaltig geprägt. Er war ein wunderbarer Schauspieler, nicht nur als ,Derrick’.“ Er war ein Mann ohne Allüren, bescheiden und vielseitig interessiert. Der Abschied von ihm ist schmerzhaft, aber in seiner Paraderolle wird er weiterleben.“ Hans Jahnke, Fernsehspielchef des ZDF, betont: „Er hat das geschafft, was heute im Fernsehen gar nicht mehr zu machen ist: Er ist zu einer großen Fernsehlegende geworden.“ Tappert sei eine Leitfigur gewesen. „Ein Gentleman mit vollendeter Höflichkeit, viel Verständnis und Herz.“

"Ich will den Jungen nicht auf den Keks gehen"

Nach seinem Derrick-Aschied drehte er 2000 „Der Kardinal". Seine Partnerin Christine Reinhart erinnert sich: „ Er war beseelt von seinem Beruf. Und egal, wie hektisch es am Set zuging, er blieb immer liebenswürdig und sagt nie ein böses Wort über Kollegen.“

Dreimal wurde Tappert Vater, während seiner ersten beiden Ehen, bevor er 1957 seine Frau Ursula heiratete. Mit seinem Sohn Gary gab es immer wieder Probleme – dennoch war dessen Tod 2001 eine schwerer Schlag. Gary starb an einem rätselhaften Organversagen. Er war damals 52.

Auch Tappert selbst wurde schwächer. Nach seiner Rolle in „Herz ohne Krone“ trat er 2003, pünktlich zu seinem 80. Geburtstag, von der Bühne ab - freiwillig und in Würde. „Ich habe so viele Rollen gespielt. Jetzt muss Schluss sein“, sagt er damals.“ Er habe vor, „nicht zu tun“.

„Auf keinen Fall werde ich als alter Weiser Mann den Jungen mit meiner Lebenserfahrung auf den Keks gehen“. Statt dessen wollte viel Zeit mit Ursula haben. „Aus zwei Personen sind eine geworden. Und wenn man dann und wann eine wenig Rücksicht nimmt, geht das schon.“ Angst hatte er damals nur vor einem: „Manchmal denke ich: Was macht meine Frau, wenn ich tot bin? Oder ich, wenn sie nicht mehr da sein sollte.“ Das letzte Stück Weg wird Ursula alleine gehen.

ta, rs, aka.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.