Von Flexitariern und "bequemem Essen"
Wie werden wir uns in Zukunft ernähren? Die AZ stellt fünf Szenarien vor – von Functional Food über Technik-Assistenten bis Käfersuppe
MÜNCHEN Popeye hat es gut: Der Matrose muss nur büchsenweise Spinat in sich hinein schütten und schon strotzt er vor Kraft. Wir anderen, die wissen, dass Spinat zwar gesund, aber eben nicht die Geheimwaffe wie im Comic ist, müssen weiter davon träumen: Von dem einen Nahrungsmittel, das den Popeye in uns weckt.
Fragt man Trendforscher, wird es aber genau das sein, was uns in Zukunft noch häufiger in Supermarktregalen begegnet: So genanntes „Functional food“. Essen, das leistungsfähiger, schöner und gesünder machen soll. Der Leipziger Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky etwa geht davon aus, dass es in ein Paar Jahren Drinks gibt, die uns kreativer machen sollen. Ein anderes Produkt, mit dem er in ein paar Jahren fest rechnet: Joghurt, der verspricht, für die nächsten paar Stunden leistungsfähiger zu machen.
Die Devise für den Kunden wird dann lauten: Genau hinschauen. Schon heute prangern Verbraucherschützern schließlich Versprechen wie „cholesterinsenkend“ oder „abwehrstärkend“ an.
An reichlich Tipps wird es dem Kunden in Zukunft sowieso nicht mangeln. In ein paar Jahren könnten Smartphone, Tablet & Co. zum Nahrungscoach werden. Solche elektronischen Assistenzsysteme messen, was dem Körper fehlt, und geben Tipps, mit welchen Lebensmitteln das Manko ausgeglichen werden kann, beschreibt Janszky. Auch praktisch: Der Herd der Zukunft, der den Koch an die Vorlieben des Gastes erinnert.
Ob der sich zum Beispiel übers frische Steak freut? Fleischskandale und Berichte über abschreckende Massentierhaltung haben in der Vergangenheit immerhin vielen Deutschen die Lust auf Fleisch genommen. Lebt in Zukunft die Mehrheit von uns vegetarisch? Oder sogar vegan? Ganz so groß wird die Veränderung wohl nicht. Allerdings wird nach Ansicht von Ernährungsexperten die Zahl der Flexitarier in Deutschland weiter wachsen. Diese flexiblen Vegetarier essen bewusst weniger Fleisch – und legen Wert auf besonders gute Qualität.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rechnet dieser Gruppe schon heute 12 Prozent der Deutschen zu. Tendenz steigend. Denn viele Deutsche sind gegen Massentierhaltung und für Umweltschutz, möchten aber dennoch nicht ganz auf Fleisch verzichten. Für eine ausgewogene vollwertige Ernährung empfiehlt die DGE ein Maximum von 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche.
Geht der Trend einerseits in Richtung Nachhaltigkeit und Qualität, soll es oft auch einfach schnell gehen. Deswegen erwarten Experten einen Boom beim „Convenience Food“. Dieser Begriff steht für „bequemes Essen“, ist aber nicht zu verwechseln mit Fast Food, also jenem klassisch ungesunden und fettigen Burgermenü.
Stattdessen werden die Deutschen mehr Geld ausgeben für industriell vorgefertigte Lebensmittel, die die weitere Zubereitung erleichtern sollen. Sei es der Mix aus der Salatbar im Supermarkt oder die frische Pasta aus dem Kühlregal. „Die Welt wird im Massentrend schneller und dynamischer“, sagt Trendforscher Sven Gabor Janszky. Das gilt auch fürs Essen.
Spannend wird die Frage, ob sich in Deutschland durchsetzt, was in den USA und in den Niederlanden derzeit immer mehr Anhänger findet: die Insektenküche. Die New Yorker Szene zum Beispiel trifft sich seit einiger Zeit schon zu Mehlwürmern und getrockneten Grashüpfern in Restaurants. Doch selbst Trendforscher tun sich schwer mit der Vorstellung, das daraus in Berlin oder München ein Massenphänomen werden könnte.
Immerhin aber findet man schon im deutschen Magazin für Staatsarzneikunde von 1844 ein Rezept für Maikäfersuppe: Dazu 30 Maikäfer waschen und zerstoßen, anschließend in Butter rösten und mit Fleischbrühe aufkochen. Das sei ein „vortreffliches und kräftigendes Nahrungsmittel“, schrieben die Autoren.
Dann wohl doch lieber ganz ordinären Spinat.