Von Blei zu Wachs und Zinn: Warum wurde Bleigießen verboten?

Für viele Familien war es über Jahrzehnte hinweg die Silvestertradition schlechthin. Doch was ist eigentlich aus Bleigießen geworden? Auch wenn das Material sich geändert hat – die Tradition gibt es auch heute noch.
von  Felix Kirsch
Jahrelang gehörte das Bleigießen zu Silvester einfach dazu. Seit 2018 wird vermehrt auf Alternativen gesetzt.
Jahrelang gehörte das Bleigießen zu Silvester einfach dazu. Seit 2018 wird vermehrt auf Alternativen gesetzt. © Sten Ritterfeld/Unsplash

Wenn die Silvesternacht naht, wird in vielen deutschen Haushalten einer alten Tradition nachgegangen: dem Bleigießen. Doch was steckt hinter diesem Brauch, der in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten ist? Und welche Alternativen gibt es im Jahr 2024? Blei ist nämlich out – und das aus gutem Grund.

In vielen Familien und Freundeskreisen gibt es am Ende des Jahres oft ähnliche Abläufe: Es wird gut gegessen, Spiele werden gespielt und "Dinner for One" läuft im Hintergrund im TV. Doch ein Brauch ist nicht mehr erlaubt: das Bleigießen.

Bleigießen hat eine lange Tradition – und wurde 2018 angepasst

Das langjährige Brauchtum des Bleigießens, bei dem ein Stück Blei über einer Kerze geschmolzen und dann in kaltes Wasser gegossen wurde, um daraus Formen abzulesen und Hinweise für das kommende Jahr zu erhalten, hat tiefe historische Wurzeln. Schon die Germanen und Römer deuteten zum Jahresende hin die Zukunft durch dieses Ritual. Dennoch war es selbst damals schwierig, aus den entstandenen Figuren konkrete Vorhersagen abzuleiten – ob es sich nun um die Form eines Croissants, eines Säbels oder sogar eines Gürteltiers handelte.

Bleigießen gehört für viele zum Jahreswechsel dazu. Spätestens seit 2018 aber in abgewandelter Form: Aufgrund eines Beschlusses der Europäischen Union sind Bleigieß-Sets nicht mehr im Handel erhältlich.
Bleigießen gehört für viele zum Jahreswechsel dazu. Spätestens seit 2018 aber in abgewandelter Form: Aufgrund eines Beschlusses der Europäischen Union sind Bleigieß-Sets nicht mehr im Handel erhältlich. © Peter Steffen/dpa/dpa

Seit dem Jahr 2018 musste dieses vergnügliche Rätselraten jedoch – zumindest unter Verwendung von Blei – eingestellt werden. Dies resultierte aus einer Entscheidung der Europäischen Union, die einen neuen Grenzwert für den Bleigehalt in Produkten festlegte. Seit April des vorangegangenen Jahres liegt dieser Grenzwert bei 0,3 Prozent. Im Vergleich dazu wies die Stiftung Warentest bisher in den Bleifiguren Gehalte von bis zu 71 Prozent des Schwermetalls auf. Als Folge davon sind Bleigieß-Sets – zumindest offiziell – nicht mehr im Handel erhältlich.

Diese Maßnahme hat eine fundierte Begründung: Blei ist giftig, vor allem für Kinder. Selbst kleine Mengen können bei ihnen Schäden an Leber, Nieren oder dem Nervensystem verursachen. Beim Bleigießen könnte das Blei beispielsweise über die Finger in den Mund gelangen. Zudem entstehen beim Erhitzen des Bleis über einer Kerze gesundheitsschädliche Dämpfe.

Was bedeuten die Formen beim Blei- und Wachsgießen? Ein Überblick

Als Alternative zum Bleigießen gibt es mittlerweile andere Möglichkeiten. Die gängigsten Alternativen sind Wachs und Zinn. Das Umweltbundesamt empfahl bereits vor dem Verbot das Wachs-Gießen als eine Art Orakel. Denn auch dieses Material kann verflüssigt werden und erstarrt beim Eintauchen in kaltes Wasser, jedoch ohne schädliche Dämpfe zu erzeugen. Perfekt also, um den Brauch auch ohne Gefahr für die Kinder weiterzuführen. 

Ob Wachs, Zinn oder etwas ganz Anderes: der Kern der Tradition bleibt erhalten.  Hier gibt es die beliebtesten Formen und Figuren im Überblick.

Von A wie Adler bis S wie Schlange: Die häufigsten Formen beim Bleigießen

Form Prognose für das kommende Jahr
Adler Erfolg
Apfel Vertrauen wird geprüft
Baum Ein Wunsch geht in Erfüllung
Besen Ein Konflikt steht bevor
Birne Schönes soll genossen werden
Blume Neue Freundschaft oder Liebe "gedeiht"
Ei  Geburt oder Schwangerschaft im Umkreis steht bevor
Flasche Geselligkeit und Fröhlichkeit
Herz Liebe
Kegel Finanzielle Risiken
Nadel Behalten Sie die Details im Blick
Ringe Jemand wird bald heiraten
Vogel  Das Glück kommt zu Ihnen
Wurzel Etwas festigt sich in ihrem Leben
Fisch Lotto oder Geldgewinne
Elefant Die kommende Zeit wird herausfordernd
Schildkröte Überdenken Sie Entscheidungen
Wal Achten Sie auf Ihre Gesundheit
Hund Freundschaft
Meerjungfrau Ihre Träume liegen näher als Sie denken
Rose Die große Liebe steht vor der Tür
Träne Traurige Zeiten stehen bevor
Gewehr Ärger steht bevor
Schlange Sie werden betrogen
Hufeisen Beruflicher Erfolg
Fackel Sie werden ein langes und erfülltes Leben haben

Popkultureller Bezug: Sogar Harry Potter und Co. deuten Formen und Figuren

Auch Zauberinnen und Zauberer lassen ihre Zukunft anhand von Formen und Figuren bestimmen. In den berühmten "Harry Potter"-Romanen findet die besondere Form des Wahrsagens jedoch in einer etwas abgewandelten Form. Statt im Bleigießen müssen sich Harry, Hermine und Ron im Kaffeesatz lesen üben.

In Band drei der Buchreihe liest Professor Trelawney während einer Wahrsage-Stunde fälschlicherweise den Kaffeesatz in Harrys Tasse und interpretiert dies als ein Zeichen für drohende Gefahr. Sie warnt Harry, dass er auf schreckliche Ereignisse zusteuere. Diese Vorhersage sorgt bei Harry für Besorgnis, da er sich ohnehin in einer angespannten und gefährlichen Situation befindet, während er versucht, die Geheimnisse um den entflohenen Sträfling Sirius Black zu verstehen.

Kaffeesatz lesen vs. Bleigießen: Viele Parallelen

Bleigießen und das Lesen von Kaffee- bzw. Teesatz sind beides Praktiken, die darauf abzielen, die Zukunft zu deuten oder Einsichten in kommende Ereignisse zu gewinnen. Beim Bleigießen entstehen Formen aus erstarrtem Blei, während beim Kaffeesatzlesen Muster oder Figuren aus dem Rückstand im Kaffeesatz interpretiert werden.

Sowohl das Bleigießen als auch das Lesen von Kaffeesatz haben ihre Wurzeln in alten Kulturen und wurden als Mittel der Weissagung oder als Orakelpraktiken verwendet. Diese Traditionen wurden im Laufe der Zeit weitergegeben und in verschiedenen Kulturen praktiziert. Beide Praktiken sind oft mit bestimmten Zeiten des Jahres verbunden, insbesondere mit dem Übergang in ein neues Jahr oder bedeutenden Ereignissen. 

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