Vom Pop-Himmel in die Grand-Prix-Hölle

Für die deutschen Vertreter beim Schlager-Schaulaufen in Belgrad ist ein Traum in Erfüllung gegangen - ein Albtraum. Die «No Angels» bekamen bei dem Spektakel die rote Laterne. Und ein alter Grand-Prix-Hase sahnt ab.
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Auf dem Rücken zum Erfolg: Russischer Sänger Dima Bilan
dpa Auf dem Rücken zum Erfolg: Russischer Sänger Dima Bilan

Für die deutschen Vertreter beim Schlager-Schaulaufen in Belgrad ist ein Traum in Erfüllung gegangen - ein Albtraum. Die «No Angels» bekamen bei dem Spektakel die rote Laterne. Und ein alter Grand-Prix-Hase sahnt ab.

Die No Angels sind beim Eurovision Song Contest abgestürzt. Den Sieg holte sich erstmals Russland, während Deutschlands Pop-Engel wie Polen und Großbritannien am Samstagabend in Belgrad (Serbien) nur 14 Punkte bekamen und damit das Desaster von 2005 wiederholten. Damals hatte Gracia Deutschland als Letzte blamiert - wie die No Angels war sie aus einer TV-Castingshow hervorgegangen. Die No Angels konnten sich nur Dank einer Höchstwertung aus Bulgarien am Ende noch 23. nennen. Trotz ihres schlechten Ergebnisses zeigte sich Sängerin Jessica zufrieden: «Ich bin etwas geschockt, aber wir können stolz sein», sagte sie danach in der ARD, die den Wettbewerb übertragen hatte.

Jubeln durfte dagegen Russlands Superstar Dima Bilan, der sich bei seinem Auftritt zum Song «Believe» von Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pluschenko und einem Stradivari-Virtuosen unterstützen ließ. «Ein Traum ist wahr geworden», rief er auf der anschließenden Pressekonferenz und dankte ausdrücklich seinem amerikanischen Erfolgsproduzenten Timbaland. Den zweiten Rang belegte die Ukraine, gefolgt von Griechenland. 25 Nationen hatten im Finale um die Grand- Prix-Krone gekämpft, 43 Länder konnten abstimmen. 2007 hatte Roger Cicero in Helsinki (Finnland) den 19. Platz belegt. Deutschland hat bislang einmal gewonnen: 1982 siegte Nicole mit dem Lied «Ein bisschen Frieden». Mehr als hundert Millionen Zuschauer über die Teilnehmerländer hinaus bis nach Australien, Neuseeland und Südafrika hatten die Veranstalter zu Europas größtem Musikwettbewerb vor den Bildschirmen erwartet. Die No Angels absolvierten ihren Auftritt als Vierte und waren damit lange vor der Abstimmung der Zuschauer an der Reihe. Sexy und souverän, in glitzernden blauen und violetten Kleidern, mit Windmaschine und Pyrotechnik präsentierten sie ihren Titel. «Wie die Länder abstimmen, das muss man so hinnehmen. Wir haben eine geile Performance abgeliefert», sagte Sängerin Sandy. Für den Experten Irving Wolther kam die schlechte Platzierung nicht überraschend: «Das ist ein Radiosong und kein Lied, zu dem man auf der Bühne eine spektkuläre Show abliefern kann.» Auch das Publikum in der Belgrad-Arena ging beim Auftritt der No Angels begeistert mit, Fans schwenkten Deutschland-Fähnchen, tanzten mit und jubelten Deutschlands Pop-Engeln zu. Doch dann rettete offensichtlich nur die bulgarische Abstammung von Sängerin Lucy die Band: Zwölf Punkte gab es aus ihrer Heimat, wo sie Jury-Mitglied einer TV-Castingshow ist, zwei folgten später noch aus der Schweiz. «Wir haben uns mehr gewünscht. Die Reaktion auf uns war toll, wir sind immer noch eure Engel!», sagte Lucy. Die deutschen Fans selbst vergaben ihre Höchstwertung - verkündet von TV-Moderator Thomas Hermanns vor tausenden Fans auf der Hamburger Reeperbahn - an Griechenland, gefolgt von der Türkei und Serbien. Am Ende aber hatte ein alter Grand-Prix-Hase die Nase vorn: Der Russe Bilan war bereits 2006 in Athen hinter Lordi Zweiter geworden. Mit ihrem Superstar wollten die Russen diesmal unbedingt den Wettbewerb in ihr Land holen. Ganz im weißen Outfit lieferte er mit seinen beiden Mitstreitern eine theatralische Show zu seiner Pop-Ballade ab. «Das war schon mächtig, aber Russland will fast zu viel», sagte ARD-Kommentator Peter Urban und witzelte: «Dann platzt auch noch das Hemd!». Als gutes Omen im Nachhinein sah er seinen ersten Vornamen Victor - «wie Victory», sagte der 26-Jährige. Während Bilan seine internationale Karriere anpeilt und an einem englisch- und einem spanischsprachigen Album arbeitet, darf sich sein Heimatland auf die Austragung des ESC 2009 freuen. Neben Russland war die Konkurrenz stark und breitgefächert - zwischen den als Erste gestarteten Rumänen und den als Letzte aufgetreten Norwegern zeigte Europa seine musikalische Vielfalt: Von Heavy Metal, Rock, Elektropop und klassischen Pop über Balladen bis hin zu folkloristischen Klängen und Spaß-Techno reichte das Spektrum. Da scratchte ein 75-jähriger kroatischer Rapper namens 75 Cents auf dem Grammophon, fuchtelte mit dem Spazierstock und versprühte mit der Gruppe Kraljevi Ulice Buena-Vista-Charme, während die Jüngste im Wettbewerb - die stimmgewaltige 16-jährige Albanerin Olta Boka - eine schwermütige Ballade anstimmte. Die meisten Kandidaten setzten auf Showeffekte, sparten nicht an Pyrotechnik und originellen Einlagen. Viele Sängerinnen versuchten zusätzlich mit Sex-Appeal zu punkten - ultra-knappe Kleider und High Heels schienen beinahe Pflicht zu sein. Nicht zu vergessen eine ausgefeilte Choreografie, nach der die Tänzer die Power-Frauen unterstützen. Da gab Kalomira die Britney Spears von Griechenland, wirbelte Sirusho aus Armenien wild über die Bühne und ließ die Ukrainerin Ani Lorak ihre Tänzer hinter einer Spiegelwand auftauchen. Wie Lorak trug die Schwedin Charlotte Perrelli einen silbernen Glitzer-Mini - sie hatte den Grand Prix 1999 gewonnen. Einziger Doppel-Gewinner ist der Ire Johnny Logan. (nz/dpa)

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