Vom Nippen zum Alkohol-Exzess

Nicht nur an Silvester: Viele Jugendliche trinken zu viel Alkohol. Länder und Kommunen probieren einige Instrumente dagegen aus, Frankfurt startet jetzt Testkäufe.
von  Mark Bihler / Politik
An Silvester fließt der Sekt nicht nur bei den Erwachsenen. Einige Jungendliche trinken sich beim Feiern ins Koma.
An Silvester fließt der Sekt nicht nur bei den Erwachsenen. Einige Jungendliche trinken sich beim Feiern ins Koma. © dpa

Frankfurt - Wenn morgen an Silvester die Korken knallen, landen wieder Jugendliche betrunken in den Notaufnahmen. Auch wenn in dieser Nacht der ausführliche Genuss von Alkohol als einigermaßen üblich gilt: Das Phänomen ist ernst und nicht nur auf Silvester beschränkt. Immer mehr Kommunen machen sich jetzt Gedanken, wie man den Alkoholkonsum bei Jugendlichen eindämmen kann. Ein Überblick, wo was gilt und welche Erfahrungen damit gemacht werden.

Gerade an Silvester haben viele Menschen das erste Mal Alkohol getrunken, weil sie nippen oder mit Anstoßen dürfen. Aber: „Die Risiken von Alkohol – insbesondere bei Jugendlichen – werden unterschätzt“, so Elisabeth Pott, Chefin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Wegen des niedrigeren Blutfettanteils und des kleineren Blutvolumens vertragen sie viel weniger als Erwachsene. Und: Es bleibt eben oft nicht beim Nippen, sondern wird zum Exzess. Nicht nur an Silvester. Nach aktuellen Zahlen stieg in Deutschland der Alkoholkonsum bei den 15- bis 25-Jährigen erneut leicht an. Besorgniserregend ist die Zunahme bei jungen Frauen. Bei den Alkoholvergiftungen hat ihr Anteil viermal so stark zugenommen.

Was also tun? Immer wieder diskutiert werden Maßnahmen wie nächtliche Verkaufsverbote von 22 bis 5 Uhr einerseits und heimliche Testkäufe andererseits. Frankfurt wird jetzt ab 1. Januar aktiv. Ab dem Jahreswechsel werden jugendliche Testkäufer in der Mainmetropole in Läden geschickt. Für Händler, die ihnen Alkohol verkaufen, setzt es ein Ordnungsgeld und mindestens eine weitere Kontrolle. Die Erfahrungen in anderen Städten hätten gezeigt, dass der Einsatz der Testkäufer sinnvoll sei, heißt es.

Konsequent greift Baden-Württemberg durch. Dort dürfen in Läden und Tankstellen ab 22.00 Uhr überhaupt keine alkoholischen Getränke verkauft werden. Staatssekretär Klaus-Peter Murawski (Grüne) glaubt, dass das Verkaufsverbot eine „Wirkung entfaltet hat“. So sank die Zahl der nächtlichen Gewaltdelikte um 2,9 Prozent. Bei einem generellen Trinkverbot auf öffentlichen Plätzen knickte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) aber vor Weihnachten ein – zu viel Widerstand in seiner Partei.

Die Städte werden sich bei einem nächtlichen Verkaufsverbot für Alkohol „kaum durchsetzen“, glaubt deshalb Raphael Gaßmann von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Sie seien aber die größten Stützen im Kampf gegen den Alkohol – auch wenn sie mit Totalverboten immer wieder vor Gerichten scheitern. Jetzt bildet sich ein Netzwerk aus zehn Großstädten gegen das Komatrinken. Hauptforderung: Eingeschränkte Verkaufszeiten. Andere Instrumente sind Anti-Absturz-Kampagnen und das Verbot von Flatrates.

Damit bleibt in Deutschland beim Alkoholverkauf ein Flickerlteppich. In Bayern stritt 2012 die damalige Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) mit Tankstellenpächtern um ein Verkaufsverbot für Alkohol nach 22 Uhr. Die Diskussion verlief im Sand, es reichte nicht einmal zu einer freiwilligen Verpflichtungserklärung der Pächter. Doch Sucht-Experte Gaßmann warnt davor, sich bei nur auf junge Säufer zu konzentrieren: „Der klassische Alkoholpatient ist zwischen 40 und 50 Jahren und nicht zwischen 14 und 15 Jahre alt.“

 

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