Usbeken: 700 Tote bei blutigen Unruhen in Kirgistan
MOSKAU - Bei den blutigen Unruhen im Süden der zentralasiatischen Republik Kirgistan sind nach Angaben der usbekischen Minderheit angeblich 700 Menschen getötet worden. Das meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax am Montag.
Diese Zahlen bezögen sich allein auf Dschalal-Abad und nicht das Zentrum der Unruhen in der Stadt Osch. Eine offizielle Bestätigung gab es nicht. Das Rote Kreuz hatte zuvor berichtet, dass viele Leichen ohne vorherige Identifizierung begraben worden seien.
Die Region bereitet sich indessen Medienberichten zufolge auf die Ankunft russischer Friedenssoldaten vor. Der Flughafen im Zentrum der Unruhen in Osch habe Order, alles für die Landung der Russen in die Wege zu leiten, berichtete ein Korrespondent der Agentur Akipress. Die tagelangen ethnischen Zusammenstöße zwischen Kirgisen und Usbeken dauern an.
Das kirgisische Militär teilte mit, dass mehrere Heckenschützen in Tarnuniformen sowie Provokateure festgenommen worden seien. Sie sollen durch gezielte Morde unter Kirgisen und Usbeken die beiden seit langem in Spannung lebenden Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgebracht haben. Es sind die schwersten Unruhen seit 20 Jahren.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bezeichnete die Lage als «sehr gefährlich». «Im Moment ist es am wichtigsten, wieder Ruhe in die Region zu bringen», sagte Ashton in Luxemburg. «Wir müssen die Ordnung wiederherstellen.» In Kirgistan wollten sich Beobachter der Vereinten Nationen und Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) ein Bild von der «humanitären Katastrophe» machen. Nach Informationen aus der Region waren mindestens 75 000 Usbeken aus den Städten Osch und Dschalal-Abad geflüchtet. Helfer richteten im Fergana-Tal Zeltlager für die Flüchtlinge ein. Das Rote Kreuz beklagte, dass viele Leichen wahllos begraben würden, ohne identifiziert zu sein.
Um der Lage in dem völlig verarmten Hochgebirgsland an der Grenze zu China wieder Herr zu werden, hat Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa Kremlchef Dmitri Medwedew wiederholt schriftlich und telefonisch um militärischen Beistand gebeten. Mit eigenen Kräften seit das nicht mehr zu schaffen, sagte Otunbajewa. Nachdem Medwedew zunächst ein Eingreifen in den «inneren Konflikt» abgelehnt hatte, sollte die Militärorganisation früherer Sowjetrepubliken (OVKS) bei einer Krisensitzung doch eine rasche Lösung finden.
Es müsse alles für eine rasche Beendigung des Mordens getan werden, sagte Medwedew einer Mitteilung seiner Internetseite zufolge. Russland hatte seinen Stützpunkt in Kant im Norden am Sonntag mit Fallschirmjägern und Munition verstärkt - allerdings zunächst mit der Begründung, die eigenen Leute schützen zu wollen.
Die Ex-Sowjetrepublik Kirgistan, die traditionell stark von Moskau abhängig ist, droht zwei Monate nach dem Sturz des autoritären Präsidenten Kurmanbek Bakijew in einem blutigen Chaos zu versinken. Bei den USA, die im Norden auch eine Militärbasis zur Versorgung ihrer Truppen in Afghanistan unterhalten, habe die Regierung noch nicht um Hilfe nachgesucht, hieß es in der Hauptstadt.
Kirgistan kommt seit dem Sturz des autoritären kirgisischen Präsidenten Kurmanbek Bakijew Anfang April nicht mehr zur Ruhe. Die Interimsregierung vermutet Bakijews Familienclan hinter den Krawallen. Bakijew hatte die Vorwürfe in seinem weißrussischen Exil zurückgewiesen. Wegen des blutigen Volksaufstandes im April sind er und einige seiner Angehörigen wegen Massenmordes international zur Fahndung ausgeschrieben.
dpa