Unser Essen: Milch - ein Industrieprodukt

Saftige grüne Wiesen, auf denen glückliche Kühe grasen – und im Hintergrund das Alpenpanorama: So stellt man sich das vor im schönen Bayernland. Etwa 1,18 Millionen Milchkühe leben im Freistaat. Das ist fast die Hälfte aller Milchkühe, die in Deutschland gehalten werden. Laut Bayerischem Landwirtschaftsministerium liefert jede Kuh heute durchschnittlich 7.700 Kilo Milch im Jahr. Vor 80 Jahren waren es noch gut 2.700 Kilo.
Viele kleinere Höfe haben in den vergangenen Jahren ihre Kühe verkauft und aufgegeben, weil sich Milchvieh für sie finanziell nicht mehr lohnt. Dafür halten andere, große Betriebe, immer mehr Tiere. Innerhalb von sieben Jahren hat sich die Zahl der Milchbauern halbiert (2000 bis 2017) auf heute rund 30.500 Milchbauern.
Mehr Milchkühe - mehr Technik
Umso mehr Kühe ein Betrieb hält, umso mehr Technik wird eingesetzt: Die Zeiten, als die meisten Kühe an ihren Zitzen noch die Hände der Bäuerin spürten, sind schon lange vorbei. Seit der Jahrtausendwende übernehmen immer häufiger Melkmaschinen diese Arbeit. Für die Kühe hat der Strukturwandel noch andere unmittelbare Folgen: Umso größer der Betrieb ist, umso weniger Kühe kommen auf die Weide. Laut Deutschem Tierschutzbund gehört das Grasen unter freiem Himmel nur noch bei 42 Prozent aller deutschen Kühe zum Lebensalltag. Laut einem Ministeriumssprecher ist der Anteil unter den bayerischen Kühen sogar noch geringer.
Das liegt daran, dass mehr als die Hälfte Kleinbauern sind. Bei ihnen leben die ihre Tiere häufig in sogenannter Anbindehaltung. Die Kühe können sich nicht einmal umdrehen oder übers Fell schlecken. Monatelang stehen sie so, ohne sich richtig rühren zu können. In kleinen Betrieben oft sogar immer. Der Bauernverband und das Landwirtschaftsministerium in Bayern lehnen ein Verbot dieser Haltungsform ab, sonst wäre die Existenz dieser kleinen Milchviehbauern gefährdet.
In großen und moderneren Höfen leben die meisten Kühe heute in sogenannten Laufställen. Sie können im Stall in abgetrennten Bereichen laufen, liegen und fressen. Vom Grasen auf einer Almwiese können die Stallkühe aber nur träumen.
Um zu vermeiden, dass die Kühe sich in den engen Ställen verletzen oder lebensgefährlich für Menschen werden, ist das Enthornen eine weit verbreitete Praxis. Dafür werden den Kälbern in den ersten sechs Lebenswochen die Hornanlagen versengt. Bis vor fünf Jahren wurde dies üblicherweise ohne Betäubung gemacht. Seit 2015 sind eine Betäubung und Schmerzmittel Pflicht.
Bio ist keine Garantie für Weidehaltung
Da immer mehr Verbrauchern wichtig ist, dass auch Nutzvieh artgerechter leben darf, achten viele auf Siegel. Doch: Auch wenn Bio auf dem Tetrapak steht, ist das keine Garantie für Weidehaltung. Beim EU-Bio-Siegel zum Beispiel ist nur Freigelände Pflicht. Auch ist ein Bio-Siegel nicht bei allen Öko-Verbanden ein Garant dafür, dass den Kühen das Enthornen erspart geblieben ist. So verbietet Demeter den Bauern zwar, enthornte Tiere zu halten, erlaubt aber die Anbindehaltung. Auch andere Öko-Verbände haben Ausnahmeregeln für kleine Betriebe mit bis zu 35 Tieren.
Sogar der Aufdruck Weidemilch kann trügen: "Der Begriff ist rechtlich nicht geschützt", warnt die Verbraucherzentrale. Doch: Die Landwirte orientieren sich daran, dass die Kühe mindestens 120 Tage im Jahr für je sechs Stunden auf die Weide dürfen.
Die Erklärung der verschiedenen Siegel finden Sie oben in der Galerie.
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