Münchner Kindl gegen Mini-U-Bahn: Hausbesitzer könnten Bau noch verhindern

In der Salzburger Altstadt formiert sich Widerstand gegen die geplante Mini-U-Bahn. Drei Gutachten sollen jetzt belegen, dass der Standort nicht geeignet ist. Die Projektgesellschaft von S-Link reagiert auf die Argumente mit direkten Worten.
Michael Hudelist |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
2  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Ist die Altstadt von Salzburg durch den Bau der Mini-Ubahn gefährdet? Hier wurden 2022 geologische Untersuchungen für das Projekt durchgeführt.
Ist die Altstadt von Salzburg durch den Bau der Mini-Ubahn gefährdet? Hier wurden 2022 geologische Untersuchungen für das Projekt durchgeführt. © IMAGO/Volker Preußer

Salzburg - Mit drei Gutachten wehren sich Hauseigentümer in der rechten Altstadt von Salzburg gegen die geplante Mini-U-Bahn. Kommen soll eine unterirdische Verlängerung der Lokalbahn mit zwei Tunneln vom Hauptbahnhof bis Salzburg-Süd.

So seien zahlreiche, zum Teil 800 Jahre alte Häuser massiv gefährdet, so auch der Münchnerhof an der Linzergasse mit zahlreichen Münchner-Kindl-Figuren im Stiegenhaus. Diese Häuser seien zum Teil auf Fundamenten aus Ziegel und Bruchsteinen gebaut, vor dem Graben des Tunnels müssten alle Fundamente erneuert und dazu die Häuser jahrelang geräumt werden. Die Hauseigentümer fordern deswegen, dass ihre denkmalgeschützten Häuser vom U-Bahn-Bau verschont werden.

"Es kann immer was passieren"

"Es kann immer was passieren, wenn sie ein altes Haus angreifen", sagt der langjährige Baudirektor der Stadt Salzburg, Walter Hebsacker. Auch beim Neubau des Makartstegs (heute Marko-Feingold-Steg, d. Red.) über die Salzach im Jahr 2000 stellte man fest, dass die Pfeiler in sich zusammenfielen, wenn sie von einem Bagger nur angestupst wurden. Grund sei der berüchtigte Seeton.

Sie wehren sich gegen den Tunnelbau (v.l.): Walter Hebsacker, Moritz Schliesselberger und Dieter Hofer.  Hudelist
Sie wehren sich gegen den Tunnelbau (v.l.): Walter Hebsacker, Moritz Schliesselberger und Dieter Hofer. Hudelist © Michael Hudelist

Nach der Initiative "Stopp U-Bahn" und Grundstückseigentümer von Anif bis Hallein hat sich jetzt eine dritte Gruppe von Gegnern in Stellung gebracht: Eigentümer von Häusern in der rechten Altstadt, die von beiden Tunnelröhren der Mini-U-Bahn,  offiziell S-Link,  untergraben werden sollen.

"Es besteht eine akute Gefährdung der Altstadtgebäude"

Die Initiatoren haben insgesamt drei Gutachten in Auftrag gegeben. Moritz Schliesselberger als Besitzer mehrerer Häuser in der Lederergasse und Dreifaltigkeitsgasse fasst die Ergebnisse zusammen: "Der Tunnelbau unterhalb der Altstadt ist aus baupolizeilicher Sicht mit Nachdruck abzulehnen, es besteht eine akute Gefährdung der Altstadtgebäude und das Ausmaß der Schäden sei nicht vorhersehbar."

Diese möglichen drastischen Folgen haben die Hausbesitzer überrascht, "nach einer Schrecksekunde von mehreren Wochen haben wir die Ergebnisse Mitte Juli an die zuständige Bauabteilung der Stadt geschickt", so der Besitzer des Münchnerhofes, der aus insgesamt vier Häusern zusammengewachsen ist. Politisch zuständig ist mittlerweile die Grüne-Stadträtin Anna Schiester. Eine Kopie ging auch an den Bürgermeister und die Leiterin des Bundesdenkmalamtes. "Aber bisher hat niemand reagiert."

Weitere Aussagen in den Gutachten: Der Tunnelbau habe massive Auswirkungen auf die darüber liegenden Altstadthäuser, die Bodenverhältnisse seien durch den "Salzburger Seeton" denkbar schlecht.

"Unweigerlich massive Risse und Schiefstellungen"

Die zum Teil 800 Jahre alten Häuser haben kein stabiles Fundament, wie man es heute kennt, sie sind großteils aus Ziegel und Bruchsteinen gebaut, teilweise auch ohne Mörtel.

"Der Tunnelbau wird daher unweigerlich zu massiven Rissen und Schiefstellungen von mehreren Zentimetern an Wänden, Gewölben und Decken führen, und das über alle Stockwerke", so das Gutachten von Wolfgang Zipperer. Vor einem Tunnelbau müssten daher alle betroffenen Häuser auf neue Fundamente gestellt werden, was Jahre dauern könne.

Allein im Münchnerhof aus dem Jahr 1374 mit Münchner-Kindl-Figuren im imposanten Stiegenhaus wären von einer Räumung fünf Geschäfte, fünf Gastro-Betriebe, 42 Büros und 41 Wohnungen betroffen.

Der Münchnerhof wird 1374 erstmals erwähnt, alle Büros und Wohnungen müssten nach Ansicht der Gutachter vor dem Tunnelbau geräumt werden.
Der Münchnerhof wird 1374 erstmals erwähnt, alle Büros und Wohnungen müssten nach Ansicht der Gutachter vor dem Tunnelbau geräumt werden. © Michael Hudelist

"Wenn nicht alle ausziehen und es passiert wegen des Tunnelbaus etwas, stehen wir als Hausbesitzer vor Gericht, weil wir von den Gefahren wussten und nichts unternommen haben", warnt Dieter Hofer, Steuerberater und Mitglied der Besitzerfamilie.

"In Salzburg kann man einfach keine Tunnel bauen"

Auch Walter Hebsacker findet ausreichend Argumente gegen die U-Bahn unter der Altstadt, in seiner Zeit als Baudirektor habe er schon zweimal entsprechende Pläne auf dem Tisch gehabt, 1997 und 2016, "und jedes Mal wurden die Pläne verworfen, weil man in Salzburg einfach keine Tunnel bauen kann wegen des Seetons."

Er sieht ein zu großes Risiko nicht nur für die Altstadthäuser in der Dreifaltigkeitsgasse, sondern für die gesamte, unterirdische Trassenführung in der Altstadt. "Die beiden Röhren für die U-Bahn sollen unter der Hochschule Mozarteum und der Dreifaltigkeitskirche durch, dann unter den Fundamenten der Staatsbrücke – ein 120 Meter langer U-Bahnhof ist dann direkt unter dem Mozartplatz geplant – genau vor der alten Stadtmauer gebaut werden."

Vor einigen Jahren habe das Denkmalamt sogar das Aufstellen von Radständern an der Stadtmauer untersagt, zu den Tunnelbauplänen und den Gefahren für die Stadtmauer sei jetzt kein Wort zu hören. "Es ist unglaublich, wie man mit dem Weltkulturerbe umgeht", so Hebsacker.

"Rufmord für unsere 200 Planer"

Die S-Link Projektgesellschaft wehrt sich, die Gegner würden aktuelle Gutachten und "gutachterliche Stellungnahmen" vermengen. "Es gibt für den Abschnitt vom Mirabellplatz bis Salzburg-Süd über 100 Drucksondierungen und 81 Probebohrungen", so Pressesprecher Moritz Rettenbacher.

Man kenne den Untergrund daher auch im Bereich Münchnerhof sehr genau. "Das, was die Hausbesitzer hier betreiben, ist Rufmord für unsere 200 Planer." Weltweit würde im Seeton gebaut, "warum sollte das nur in Salzburg nicht gehen?"

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Die Gutachter der Projektgesellschaft wehren sich weiter, die Gutachter der Hausbesitzer würden auf Gutachten aus 1997 aufbauen. Der technologische Fortschritt der letzten 25 Jahre sei dabei nicht berücksichtigt worden.

Von Seiten der Politik gibt es keine Reaktionen, nur Grünen-Stadträtin Anna Schiester zeigt Verständnis und will mit den Betroffenen im Austausch bleiben. Am 10. November wird es in der Stadt Salzburg sowie im Flachgau und im Tennengau eine Bürgerbefragung geben.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
2 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • AufmerksamerBürger am 08.09.2024 14:18 Uhr / Bewertung:

    Die alten Häuser entsprechen nicht den modernen Wärmevorgaben und müssen daher eh abgerissen und durch einen zeitgemäßen Waschbetonbau mit Styropor Verkleidung ersetzt werden.

  • nutellatami am 08.09.2024 11:00 Uhr / Bewertung:

    Als die Eisenbahn vor fast 200 Jahren gebaut wurde hatten auch alle Angst. Würde man jeder Emotionalität klein beigeben würden die Menschen noch in Höhlen hausen

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.