Über 2000 Reisende bleiben im Kanaltunnel stecken

London/Paris (dpa) - Nach einer Pannenserie beim Eurostar sind mehr als 2000 Passagiere im Tunnel unter dem Ärmelkanal liegengeblieben.
Vier Hochgeschwindigkeitszüge steckten in der Nacht zum Samstag über Stunden im Eurotunnel zwischen Frankreich und Großbritannien fest, ein fünfter konnte die Röhre nur langsam durchfahren, wie ein Eurostar-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur dpa in London sagte. Grund für die Panne war ein großer Temperaturunterschied innerhalb und außerhalb des Tunnels. Manche Reisenden saßen über 15 Stunden in den Zügen fest, bevor sie London erreichten.
Mitten im Weihnachtsverkehr wurde der Betrieb unter dem Ärmelkanal für den ganzen Samstag eingestellt. An den Terminals herrschte Chaos. Die erschöpften und frustrierten Reisenden kritisierten eine schlechte Versorgung, mangelnde Informationen und sprachen von verängstigten Reisenden. Als die Züge aus der eisigen trockenen Luft im Norden Frankreichs in den deutlich wärmeren und feuchteren Tunnel fuhren, legte der Temperatursprung die Elektrik der Lokomotiven lahm.
Ein Großteil der Passagiere wurde mit einem Shuttle aus zwei gestrandeten Zügen geborgen. Für die beiden anderen liegengebliebenen Eurostars mussten Ersatz-Diesellokomotiven her, die die Züge Richtung Südengland schoben oder zogen. «Das ist noch nie vorgekommen», sagte ein Eurostar-Sprecher. Das Unternehmen entschuldigte sich bei den Betroffenen.
Wann wieder Züge auf der Strecke rollen, die London mit Paris und Brüssel verbindet, war zunächst unklar. Zahlreiche Menschen an den Eurostar-Terminals in London und Paris, von denen viele in den Weihnachtsurlaub starten wollen, warteten vergeblich auf ihre Abreise und erfuhren von den Zugausfällen über Lautsprecherdurchsagen.
Als die ersten gestrandeten Passagiere am Samstagmorgen London erreichten, wurden sie von wartenden Angehörigen mit Applaus empfangen. Unter ihnen war auch Lee Godfrey, der mit seiner Familie unterwegs war. «Wir waren ohne Strom. Uns sind das Wasser und das Essen ausgegangen. Und die Informationen des Personals waren ziemlich schlecht», sagte er der BBC. Kinder hätten auf den Gängen geschlafen. «Es war ziemlich beängstigend für Kinder und ältere Leute. Wir hatten eine Dame im Rollstuhl; eine Frau, die im siebten Monat schwanger war. Und wir hatten Asthma-Anfälle.»
Auch der Betreiber des Eurotunnels zeigte sich erstaunt. «Noch nie musste ein Eurostar-Zug in den 15 Jahren seit Tunnelöffnung evakuiert werden. Und in der vergangenen Nacht mussten wir gleich zwei Züge evakuieren und die Leute rausholen», sagte John Keefe der BBC.
In den gestrandeten Hochgeschwindigkeitszügen saßen jeweils mehr als 500 Menschen. Alle Züge waren auf dem Weg von Paris, Brüssel oder Eurodisney nach London. Für die Fahrgäste habe keine Gefahr bestanden, sagte Eurostar-Sprecher Grant Smith. In den Zügen gebe es eine batteriebetriebene Notbeleuchtung. «Die Leute sitzen nicht im Dunkeln fest.»