Tugce-Schläger: Kommt er mit Bewährung davon?
Wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Fall Tugce A.bayrak muss sich Sanel M. (18) vor Gericht verantworten. Nach dem Jugendstrafrecht könnte der mutmaßliche Täter mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.
Offenbach - Sanel M. (18) soll die Lehramtsstudentin Tugce Albayarak Mitte November vor einem McDonalds in Offenbach mit einem Faustschlag niedergestreckt haben. Tugce schlug hart mit dem Kopf auf dem Boden auf und wurde so schwer verletzt, dass sie ins Koma fiel. An ihrem 23. Geburtstag mussten die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt werden. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Täter erhoben auf Körperverletzung mit Todesfolge.
Was droht dem mutmaßlichem Schläger nach einer Verurteilung? Normalerweise stehen auf Körperverletzung mit Todesfolge mindestens drei Jahre Haft. Das Urteil könnte aber viel milder ausfallen.
Körperverletzung mit Todesfolge
Kommt ein Verletzter unmittelbar nach einem Angriff ums Leben, kann es sich um eine Körperverletzung mit Todesfolge handeln. Das ist etwa der Fall, wenn ein Opfer kurz nach einem Schlag ins Gesicht oder einem Tritt in den Bauch stirbt. Das Strafgesetzbuch sieht dafür mindestens drei Jahre Gefängnis vor, bei einem minder schweren Fall ein bis zehn Jahre. Muss der Täter jedoch damit rechnen, dass sein Angriff tödlich sein kann - etwa bei einem Stich in die Brust oder dem Schlag mit einer schweren Stange auf den Kopf - kann die Tat als Totschlag bestraft werden.
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Zwei Jahre Bewährung
Im Fall von Tugce könnte das Urteil für den erst 18 Jahre alten Sanel M. aber viel milder ausfallen. Nämlich, wenn noch das Jugendrecht Anwendung findet. Das ist bei Heranwachsenden zwischen 18 und 20 Jahren möglich und meist die Regel. Es gibt einen Vergleichsfall aus dem Jahr 2009 über den Focus.de bereits berichtet hatte. Im sogenannten 20-Cent-Fall wurde der Angeklagte in Hamburg, ein Jugendlicher, zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Auch hier hatte der Täter nur einen Schlag abgesetzt, das Opfer war unglücklich mit dem Kopf aufgeschlagen und aufgrund der Verletzungen verstorben. Die Juristen sprechen von einem ungewöhnlichen Kausalzusammenhang. Musste Sanel M. nicht damit rechnen, dass Tugce aufgrund des Faustschlages später sterben würde?
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Sanel M. aufgrund von Alkohol enthemmt
Eine weitere, vermutlich für das Urteil mildernde Rolle spielt die nicht unwesentlich starke Alkoholisierung von Sanel M. zum Tatzeitpunkt. Noch Stunden später hatte er 1,4 Promille im Blut! Sanel M. war also alkoholbedingt enthemmt, eventuell nicht voll zurechnungsfähig. Konnte er überhaupt im Vorfeld die schweren Folgen seiner Tat voraussehen? Konnte er in seinem Zustand die Situation einschätzen?
Klar ist: Sollte Sanel M. auf Basis des Jugendstrafrechts mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, wäre das für Familie und Freunde von Tugce Albayrak kaum zu ertragen. Ihr Schicksal hatte bundesweite Anteilnahme ausgelöst. Allein in Offenbach dürften die Reaktionen auf ein mildes Urteil heftig ausfallen.