Trotz ICE-Ärger: Bekommt der Bahnvorstand einen Millionen-Bonus?

Das Chaos bleibt nach der Überprüfung der ICE-T-Züge zwar aus, doch die Kritik an den Bahnvorständen wächst. Es geht um Bonus-Zahlungen in Millionenhöhe, die sogar ohne das Wissen von Verkehrsminister Tieefnsee schon beschlossen sein sollen.
FRANKFURT Es gab überfüllte Züge und Verspätungen – aber das erwartete große Bahn-Chaos ist am Wochenende ausgeblieben. Das war befürchtet worden, nachdem die Bahn am Freitag kurzfristig fast alle ICE-T-Züge aus dem Verkehr gezogen hatte, um sie auf eventuelle Achsschäden überprüfen zu lassen (AZ berichtete). Diese Tests sollen noch bis mindestens Freitag dauern.
Auf einigen Strecken, auf denen die ICE-Neigezüge eingesetzt werden, fielen auch reguläre Zugverbindungen aus, zum Beispiel zwischen Hamburg, Berlin, Leipzig und München oder auf der Strecke Dortmund – Nürnberg – Passau. Dort wurden Ersatzzüge eingesetzt. Laut Deutscher Bahn war überall auf den betroffenen Bahnhöfen zusätzliches Personal eingesetzt, um die Fahrgäste zu informieren.
Der Fahrgastverband Pro Bahn warf dem Unternehmen trotzdem vor, die Kunden mit ungenauen Standardansagen abzuspeisen. Der Bundesvorsitzende Karl-Peter Naumann sagte: „Fahrgäste haben viel mehr Verständnis, als die Bahn glaubt, wenn man sie informiert.“
Unterdessen geht der Streit darüber weiter, wer schuld ist an dem Achsen-Debakel. Die Bahn hatte sich „aufgrund nicht belastbarer Garantien der Industrie für den sicheren Einsatz der ICE-T-Fahrzeuge“ zum Check-up entschlossen. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn wirft den Verantwortlichen laut einem Spiegel-Bericht „Inkompetenz“ vor. Die Bahn will sogar Schadenersatz fordern.
Die Hersteller Siemens und Bombardier versicherten dagegen, dass die Züge nach dem Stand der Technik und nach den geltenden Normen gebaut wurden. Die Züge seien so von den Aufsichtsbehörden genehmigt worden.
Unterdessen gibt es auf einem anderen Gebiet ebenfalls Ärger über die Deutsche Bahn. So sickerte durch, dass die Vorstände und die oberste Führungsebene bei einem erfolgreichen Börsengang des Konzerns Bonuszahlungen in Millionenhöhe erhalten sollen. Das hatte der Personalausschuss des Bahn-Aufsichtsrates bereits im Juni heimlich beschlossen – nicht einmal Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee als oberster Bahn-Verantwortlicher wusste davon.
Und so reagierten die Fahrgäste im Münchner Hauptbahnhof auf das ICE-Chaos: Bernhard Hummel hat ein Zimmer im Hilton in Berlin gebucht, Karten für die Oper – und ein Zugticket mit dem ICE in die Hauptstadt, erste Klasse. Am Freitag hat er bei der Info-Hotline der Deutschen Bahn angerufen: „Die haben mir zugesichert, dass der Zug auf jeden Fall fährt“, sagt er. Es ist Samstagmorgen, fünf Minuten nach neun. In vierzig Minuten soll der Zug abfahren. Doch die Anzeigetafel auf Gleis 18 bleibt leer. Bernhard Hummel bleibt gelassen, es ist schließlich Wochenende. „Ich könnte ja theoretisch mit dem Auto fahren, aber ich habe mich schon auf eine gemütliche Fahrt in der ersten Klasse Freude“, sagt er. Er findet einen Ersatzzug.
Trotz des Ausfalls von rund 70 ICE-Zügen blieb das erwartete Chaos auf den Bahnhöfen aus. Der Ersatzfahrplan greife, der Verkehr laufe stabil, so die Bahn am Samstag. Am Sonntag setzte die Bahn zusätzliche Ersatzzüge ein. Nach außen scheint alles in Ordnung – „aber betriebsintern herrscht bei uns Chaos hoch drei“, sagt ein Bahnangestellter, der in der Bordgastronomie arbeitet. „Improvisation ist bei der Bahn das A und O.“ Die ICE-Ausfälle seien da nur die logische Folge: „Es fehlen Ersatzteile, Material und Mitarbeiter. Beim Management und in der Organisation wurden Fehler gemacht.“
Die Gelassenheit, mit der die Fahrgäste auf ausgefallene oder verspätete Züge reagieren, erklärt er sich so: „Die Leute sind mittlerweile richtig abgestumpft. Früher haben sie sich in so einer Situation noch aufgeregt und haben nach Lösungen gesucht. Jetzt nehmen sie es einfach hin.“ Wie die Menschen am Münchner Hauptbahnhof. Nur Hyojin Jang aus Südkorea ist genervt: „Das trifft mich völlig unerwartet. Ich wollte doch nach Nürnberg, da vier, fünf Stunden bleiben und dann weiter nach Berlin fahren.“ Jetzt muss Jang eine Stunde in München warten. „Ich kann ja nichts machen, aber das ist schon ärgerlich.