Traum und Alptraum

Der King of Pop verzückt 1987 mit seiner „Bad World Tour“ die ganze Welt – doch seine labile Seele beginnt sich zu zersetzen. Er mutiert vom Bühnenstar zum bizarren Zombie
von  Abendzeitung
Krönung und Ritterschlag: Michael Jackson lässt sich malen, wie er gerne wäre und hängt die Bilder auf seiner Neverland Ranch auf.
Krönung und Ritterschlag: Michael Jackson lässt sich malen, wie er gerne wäre und hängt die Bilder auf seiner Neverland Ranch auf. © Bongarts/Getty Images

Der King of Pop verzückt 1987 mit seiner „Bad World Tour“ die ganze Welt – doch seine labile Seele beginnt sich zu zersetzen. Er mutiert vom Bühnenstar zum bizarren Zombie

Was Michael Jackson anfasst Mitte der 80er, wird Gold – doch den Zenit als Welttournee-Superstar erklimmt er erst mit seinem Album „Bad“ 1987. Es wird die Tour der Superlative: 120 ausverkaufte Konzerte in eineinhalb Jahren auf vier Kontinenten. Allein das Wembley Stadion in London ist sieben Mal ausverkauft. „Ich fühle mich fremd unter gewöhnlichen Leuten“, sagt Jackson, „in Menschenmengen habe ich Angst. Auf der Bühne fühle ich mich sicher. Wenn ich könnte, würde ich auf der Bühne schlafen“.

Auf der Höhe seiner Kraft beginnt die Seele des labilen Menschen Jackson sich zu zersetzen. Er fühlt sich leer, verbrannt, geschunden. Um die Leere zu füllen, kauft er 1998 für 17 Millionen Dollar eine 1000 Hektar große Ranch bei von Los Angeles. „Neverland“ nennt er sie, nach der Trauminsel seines Märchenhelden Peter Pan, baut sie zu einem gigantischen Spielzeugland mit Streichelzoo, Karussell und Kitsch um und lädt regelmäßig Kinder ein. Weil er vergeblich hofft, von der Queen zum Ritter geschlagen zu werden, lässt er sich malen: in riesigen goldverzierten Porträts, bei der Krönung, beim Ritterschlag – Traum, Alptraum und reales Leben verschwimmen zunehmend.

Jacksons bester Freund in diesen Jahren ist Bubbles, der Schimpanse, der Windeln trägt und in Jacksons Schlafzimmer schläft. Zunehmend skurril werden auch seine Auftritte: Der große Illusionskünstler auf der Bühne fängt an, sich körperlich vollständig umzubauen. Immer weiblicher wird er, die Haut immer heller, die Nase immer kleiner, bis sie nur aus zwei Höhlenlöchern besteht, umgeben von ein paar Klumpen Fleisch. Eine bizarre, kaputte, kaum noch menschliche Fratze eines Zombies, ein Wesen wie aus einer anderen Welt. Dann zeigen ihn Fotos unter einem Sauerstoffzelt. Er wolle so sein Leben verlängern, lässt Jacko wissen – und hinterlässt die Fans ratlos und verstört.

Die krankhafte Liebe zu Kindern - sein einziger Trost

Sein einziger Trost scheint seine Liebe zu Kindern – eine krankhafte Liebe: 1993 beginnt die Polizei in L.A. mit Ermittlungen. Der Pop-Gigant soll einen 13-jährigen Buben sexuell missbraucht haben. Jackson beteuert seine Unschuld, einigt sich außergerichtlich. Doch sein Ruf ist ruiniert. Die nächste Welttournee platzt, Sponsor Pepsi lässt Jackson fallen, auch Disney-Land kündigt die Zusammenarbeit. Jackson ist am Boden.

Vielleicht aus Liebe, vielleicht aus Einsamkeit, vielleicht, um noch augenfälliger Nachfolger von Elvis Presley, dem King of Rock’n’Roll zu werden, heiratet Jackson 1994 die Elvis-Tochter Lisa Marie Presley – die Ehe hält zwei Jahre. Ein zweites Mal verehelicht er sich, diesmal mit Krankenschwester Debbie Rowe. 1997 bringt sie Sohn Prince Michael Jr. zur Welt, ein Jahr später Tochter Paris Michael Katherine. Doch auch diese Ehe scheitert wenig später. Sein drittes Kind, Prince Michael II bekommt der King of Pop 2002 mit Hilfe einer Leihmutter. Als er den Säugling im Berliner Hotel Adlon über die Balkonbrüstung hält, rutscht er ihm fast aus der Hand. Jackson – nur noch ein Nervenbündel.

Er fühle sich verfolgt, sagt er, die Welt habe es auf ihn abgesehen. Er will erklären, wer er wirklich ist, wie er wirklich fühlt, wie er wirklich lebt. Sein Untergang. Denn was der Reporter, dem er acht Monate lang Zugang zu seiner Ranch und seinem Leben gewährt, sieht, ist nur noch verstörend: Er sehne sich danach, in der Nähe von kleinen Buben zu schlafen, sagt Michael Jackson offen. Der King of Pop wird verhaftet – und die Welt sieht zu.

Irene Kleber

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