Tödliche Therapie: Psychotherapeut verabreicht Drogen-Cocktail
Nach einer Massenvergiftung bei einer mysteriösen Gruppentherapie-Sitzung in einer Berliner Praxis sterben zwei Menschen. Ein Mann liegt noch im Koma. Jetzt ermittelt die Mordkommission gegen den Arzt.
BERLIN Auf dem weißen Praxisschild ist ein kleines Bild zu sehen: Eine Gruppe von Menschen, die sich umarmen. Hilfe in "spirituellen Krisen" verspricht Psychotherapeuten Garri R. Für zwei Patienten endete die Gruppentherapie in Berlin-Hermsdorf jetzt tödlich: Sie wurden offenbar vergiftet. Ein Mann schwebt noch in Lebensgefahr.
Garri R. hat in seiner Therapiesitzung mit psychoaktiven Substanzen experimentiert. Laut "Berliner Morgenpost" soll R. den insgesamt zwölf Patienten eine Spritze verabreicht haben. Darin ein Cocktail aus Ecstasy, Amphetaminen und anderen Substanzen. R. hat den Drogenmissbrauch eingeräumt.
Die Patienten wirkten aufgeputscht und aggressiv
Nach ersten Erkenntnissen hatte Garri R. am Samstagvormittag zwölf Patienten im Alter zwischen 26 und 59 Jahren empfangen. Einigen Patienten wurde nach dem Drogencocktail plötzlich übel, sie erbrachen sich. Um 15.21 Uhr alarmierte dann einer der Teilnehmer die Rettungskräfte. Ihnen bot sich ein dramatisches Bild: Im Dachgeschoss lag ein 59-jähriger Mann – tot. Zwei weitere Patienten waren bewusstlos, mussten reanimiert werden. Ein 28-jähriger Mann starb Stunden später im Krankenhaus.
Die restliche Patientenschar musste von Polizisten in Schach gehalten werden. Einige wirkten den Ermittlern zufolge aufgeputscht. Der Drogencocktail hatte sie aggressiv gemacht, sie wehrten sich mit Händen und Füßen gegen eine Behandlung. Andere Patienten saßen oder lagen apathisch auf einer Terrasse hinter dem Haus. Alle hatten Vergiftungserscheinungen, kamen ins Krankenhaus.
Garri R. ist von der Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen
Derzeit liegt noch ein 55-Jähriger im Koma, sein Zustand ist kritisch. Die anderen Patienten konnten die Klinik inzwischen verlassen. Garri R. wurde festgenommen, er sitzt jetzt in U-Haft. Er sollte noch am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt werden.
Der 50-Jährige, der aus der ehemaligen Sowjetunion stammt, hat seine Praxis erst vor rund zwei Wochen in dem Ortsteil von Berlin-Reinickendorf eröffnet. Der dreifache Familienvater praktiziert dort gemeinsam mit seiner 41-jährigen Frau, sie ist Heilpraktikerin. Sie wurde von der Polizei als Zeugin vernommen. R. ist als Allgemeinarzt und Psychotherapeuten bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Berlin zugelassen. Laut KV-Profil bietet er unter anderem "tiefenpsychologische Psychotherapie, körperorientierte Psychotherapie und progressive Muskelentspannung" an.
Umstrittene Psycholyse-Therapie
Auf seinem Praxisschild und im Stadtbranchenbuch wirbt R. aber zusätzlich mit der "psycholytischen Therapie". Dabei werden Patienten Halluzinogene wie LSD, Ecstasy oder Pilze zur Bewusstseinserweiterung verabreicht. Befürworter glauben, so können tief verschüttete Traumata zugänglich gemacht werden. Allerdings ist die auch Psycholyse genannte Therapie sehr umstritten, die meisten Substanzen sind verboten. Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung warnt explizit vor dieser Therapieform.
Neben einem Prozess droht R. auch der Entzug der Zulassung. Von einem "extremen Vertrauensmissbrauch" spricht Andreas Heinz, Professor für Psychiatrie an der Charité: "Der Rahmen einer offiziell zugelassenen Praxis könnte den Eindruck der Patienten verstärkt haben, es handele sich um ein seriöses Verfahren."
"Die kamen alle aus der esoterischen Ecke", sagt ein Anwohner. Nachbarin Edeltraud Doschewski: "Ich hatte schon länger das Gefühl, da gibt es spiritistische Sitzungen."
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